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Gullivers Reisen

Gullivers Reisen

Titel: Gullivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Swift
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Strümpfe und Beinkleider geriethen in schlimme Beschaffenheit. Der Zwerg erhielt auf meine Bitte keine andere Strafe, als eine genügende Anzahl derber Peitschenhiebe.
    Die Königin spottete häufig über meine Furchtsamkeit, und fragte mich gewöhnlich, ob alle Leute in meinem Vaterlande dieselbe Feigheit, wie ich, besäßen. Die Veranlassung war folgende: Das Königreich wird im Sommer sehr durch Fliegen überschwemmt und diese verhaßten Insekten, von der Größe einer Lerche, gönnten mir, durch ihr ewiges Summen an meinen Ohren keinen Augenblick Ruhe; oft setzten sie sich auf meine Nahrung und ließen dort ihren eckelhaften Unrath und ihre Eier zurück, die mir, aber nicht den Eingeborenen des Landes, sichtbar waren, weil Letztere, in Hinsicht kleinerer Gegenstände, kein scharfes Gesicht besitzen. Bisweilen setzten sie sich mir auf Nase und Stirne und beängstigten mich dadurch bis zum Aeußersten, denn zugleich stanken sie auch auf höchst ekelhafte Weise, ich konnte sogar jene klebrige Materie genau sehen, welche diese Geschöpfe, nach Behauptung unserer Naturforscher, in Stand setzt, mit aufwärts gekehrten Beinen, an den Zimmerdecken einherzuspazieren. Die Abwehrung dieser verabscheuungswürdigen Thiere, kostete mich viel Mühe, und es war mir unmöglich, nicht zurückzufahren, sobald sie auf mein Gesicht zuflogen. Der Zwerg spielte mir gewöhnlich den Streich, daß er eine Anzahl Insekten, wie Schulknaben bei uns, mit der Hand fing und sie dann plötzlich unter meiner Nase fliegen ließ, um mich zu erschrecken und die Königin zu amüsiren. Mein Gegenmittel bestand aber darin, daß ich sie mit meinem Messer, während sie in der Luft flogen, zerschnitt, und da ich mir viel Gewandtheit in diesem Verfahren erwarb, habe ich auch zugleich viele Bewunderung damit erregt.
    Wie ich mich erinnere, hatte Glumdalclitch mich einst in der Schachtel vor ein offenes Fenster hingesetzt, ein Verfahren, das an schönen Tagen, damit ich frische Luft schöpfte, bei ihr gewöhnlich war. Ich wagte es nämlich nie, meine Schachtel an einem Nagel ausserhalb des Fensters hinhängen zu lassen, wie dies bei uns in England mit Käfigen zu geschehen pflegt. Ich schob eines meiner Fenster in die Höhe und setzte mich an meinen Tisch, um ein Stück süßen Kuchen zum Frühstück zu verzehren. Da aber drangen zwanzig Wespen, durch den Geruch herbeigelockt, in das Zimmer und brummten dabei lauter, wie eben so viele Maultrommeln oder Dudelsäcke. Einige derselben ergriffen meinen Kuchen und trugen ihn stückweise fort, andere flogen mir um Kopf und Gesicht, betäubten mich mit ihrem Geräusch und versetzten mich in die äußerste Furcht vor ihren Stacheln. Ich hatte jedoch den Muth aufzustehen, mich mit dem Messer zu vertheidigen und sie in der Luft anzugreifen. Viele derselben wurden von mir getödtet die übrigen flogen fort und ich schloß mein Zimmer.
    Diese Insekten waren so groß wie Rebhühner; ich zog die Stacheln aus den Leichen und fand, daß erstere anderthalb Zoll lang und so scharf wie Nadeln waren. Ich habe sie sämmtlich mit Sorgfalt aufbewahrt, zeigte sie nach meiner Rückkehr, nebst andern Merkwürdigkeiten, in mehreren Theilen von Europa, schenkte drei Stacheln der Schule von Gresham, und behielt den vierten für mich selbst.

Viertes Kapitel.

    Beschreibung des Landes. Ein Vorschlag, neuere Landkarten zu verbessern. Der Palast des Königs und einige Berichte über die Hauptstadt. Des Verfassers Art zu reisen. Beschreibung des Haupttempels.

    Jetzt auch will ich dem Leser eine kurze Beschreibung von Brobdingnag liefern, so weit ich das Land bereist, d. h. nur im Umkreise von zweitausend Meilen im Bereich der Hauptstadt Lorbrulgrud. Die Königin, die ich stets begleitete, ging nämlich niemals weiter, wenn sie mit dem König reiste, und wartete dort, bis Seine Majestät von der Besichtigung der Gränzen zurückgekehrt war. Die Ausdehnung der Besitzungen dieses Fürsten beträgt sechstausend Meilen in der Länge, und drei bis fünftausend Meilen in der Breite. Hieraus zog ich den Schluß, daß unsere Geographen in Europa vollkommen im Irrthum sind, wenn sie vermuthen, nur das Meer liege zwischen Kalifornien und Japan. Es war stets meine Meinung, ein großer Landstrich müsse dazwischen liegen, um das Gleichgewicht gegen das Festland der großen Tartarei wieder herzustellen. Deßhalb sollten die Geographen ihre Karten verbessern und diesen großen Landstrich an den Nordwesten von Amerika anhängen, wobei ich gern bereit

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