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Gullivers Reisen

Gullivers Reisen

Titel: Gullivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Swift
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nicht zu wiederholen brauche. In der Küche des Königs bemerkte ich alle Arten mathematischer und musikalischer Instrumente, und nach den Figuren derselben wurde alles Fleisch zugeschnitten, das man auf die Tafel brachte.
    Die Häuser sind schlecht gebaut, die Mauern schräg, und in den Zimmern bemerkt man kaum einen rechten Winkel. Dieser Mangel ergibt sich aus der Verachtung, welche die Laputier gegen angewandte Geometrie hegen, die sie als gemein und handwerksmäßig verachten. Ihr Volksunterricht ist nämlich zu sehr verfeinert für den Verstand gewöhnlicher Arbeitsleute. Somit sind Versehen an der Tagesordnung. Obgleich nun alle auf dem Papiere in der Anwendung des Maßstabs, des Bleistifts und Divisors sehr gewandt sind, habe ich dennoch nie ein tölpelischeres, unbeholfeneres und plumperes Volk in allen Gelegenheiten, mit Ausnahme der Musik und Mathematik, gesehen. Sie sind schlechte Logiker und sehr zum Widerspruch geneigt; auch hegen sie nur selten die richtige Meinung. Einbildungskraft, Phantasie, Erfindungsgabe sind ihnen durchaus unbekannte Eigenschaften; auch gibt es in der Landessprache keine Worte, dieselben auszudrücken. Alle ihre Gedanken sind auf die vorhergenannten Wissenschaften beschränkt.
    Die Meisten, und besonders diejenigen, welche sich mit der astronomischen Mathematik beschäftigen, glauben auch an Astrologie, obgleich sie sich schämen, es öffentlich einzugestehen. Am meisten habe ich mich aber über den mir unerklärlichen Umstand gewundert, daß sie eine leidenschaftliche Neigung zur Politik uud zu Neuigkeiten hegen, Staatsangelegenheiten fortwährend untersuchen, und jeden Punkt einer Parteimeinung streitig machen. Dieselbe Neigung habe ich auch bei Mathematikern in Europa bemerkt, obgleich ich keine Aehnlichkeit der Mathematik und Politik entdecken konnte. Vielleicht sind diese Leute der Meinung, ebenso wie der kleinste Cirkel dieselben Grade habe, als der größte, so verlange auch das Ordnen der Welt keine größere Fähigkeit, als die Gewandtheit, mit einem Globus umzugehen. Jedoch möchte ich den Grund dieser Eigenschaft vielmehr in einer allgemeinen menschlichen Schwäche suchen, nach welcher wir am meisten neugierig in Dingen sind, die uns nichts angehen, und für welche wir uns durch Studien und Geistesfähigkeiten durchaus nicht eignen.

    Die Laputier befinden sich in fortwährender Unruhe, so daß sich ihr Geist kaum eine Minute lang in Behaglichkeit befindet, und diese Störungen entstehen aus Ursachen, welche auf die übrigen Menschen keinen Einfluß ausüben. Ihre Furcht beruht auf Veränderungen, die sie in Betreff auf Himmelskörper besorgen; z. B. die Erde müsse zuletzt von der Sonne absorbirt und verschlungen werden, da letztere ihr fortwährend immer näher rücke; die Oberfläche der Sonne werde zuletzt durch ihre Effluvien incrustirt, und könne alsdann die Welt nicht mehr erleuchten; kürzlich sey die Erde kaum dem Untergang durch den Schwanz eines Kometen entgangen, der sie unfehlbar in Asche verwandelt haben würde; der nächste, welcher nach einunddreißig Jahren, wie sie berechnet, erscheinen müsse, werde wahrscheinlich uns sämmtlich vernichten. Wenn er nämlich in seinem Perihelion sich der Sonne bis auf einen gewissen Grad nähere (und die Berechnung gebe Ursache zu dieser Besorgniß), so müsse er eine Hitze erhalten, deren Intensität um zehntausend Grade die Hitze des glühenden Eisens übertreffe; nach der Entfernung von der Sonne werde er zehnmalhunderttausend vierzehn Meilen weit seinen Schwanz ausstrecken; wenn nun die Erde in der Entfernung von einhunderttausend Meilen vor dem Kern oder Hauptbestandtheil des Kometen passire, müsse sie en passant entzündet und in Asche verwandelt werden; die Sonne, welche uns täglich ihre Strahlen sende, müsse sich zuletzt erschöpfen, und somit untergehen; alsdann sey auch der Untergang unseres Planeten die nothwendige Folge, so wie auch der Tod der Andern, welche ihr Licht von unserem Fixstern erhalten.
    Die Laputier werden so sehr durch die Besorgniß dieser Gefahren und ihrer Folgen geängstigt, daß sie nicht ruhig schlafen, und sich auch an den gewöhnlichen Vergnügungen des Lebens nicht erholen können. Begegnen sie ihren Freunden des Morgens früh, so betrifft die erste Frage die Gesundheit der Sonne, wie sie beim Abend- und Morgenroth sich befand; ferner auch, ob Hoffnungen vorhanden sind, den Stoß des nahenden Kometen zu vermeiden. So geht es in dem Gespräche mit demselben Vergnügen fort,

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