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Gun Machine

Gun Machine

Titel: Gun Machine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warren Ellis
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umgebracht hat. Da draußen sind Hunderte Leute, denen auch gesagt wurde, dass ihre Liebsten tot sind, und die nie zu hören bekommen haben, dass wir deswegen auch nur einen Finger gerührt hätten. Deshalb löse ich diesen Fall. Ist das jetzt klar? «
    Scarly musterte ihn. » Das glauben Sie doch selbst nicht. «
    » Tut das noch was zur Sache? « , sagte Tallow und ging.
    Eine kurze Fahrt zog sich in die Länge. Tallow musste eine Lücke im Verkehrswirrwarr abpassen, um zur Brooklyn Bridge durchzustoßen.
    Der Funk lief mit. Die Stadt leistete ihm Gesellschaft, solange er es aushielt. Ein Typ aus Stuyvesant Heights war nach Hause gekommen, hatte festgestellt, dass seine Reifen aufgeschlitzt waren, war zur Bodega um die Ecke gegangen, um sich nach Zeugen zu erkundigen, und hatte eine Kugel ins linke Auge bekommen. Keiner hatte was gesehen. Der » Seriengrapscher « der Upper East Side hatte erneut zugeschlagen– er hatte eine Zwanzigjährige zu Boden gestiefelt und im Schritt befummelt, bis sie so laut » Vergewaltigung! « geschrien hatte, dass er eine Scheißangst bekommen hatte. Alles an der Ecke Lexington/East Seventy-Seventh, aber irgendwie hatte keiner was gesehen. Plötzlich aufgeregtes Geplapper über einen Streifenbullen aus der Bronx, den die interne Ermittlung eben aufgegriffen hatte, da ans Licht gekommen war, dass er angeblich einem Kind eins mit der Dienstmarke übergezogen hatte. Das Geplapper stammte von Cops, die alle dabei gewesen waren und nichts gesehen haben wollten.
    Als Tallow den Funk ausknipste, wanderten seine Gedanken zurück zu der Waffe. 1836. Er interessierte sich schon immer für Geschichte, doch seine Kenntnisse waren lückenhaft. Irgendwie hatte er nie die Muße, sich in ein bestimmtes Thema zu vertiefen, und so kratzte er immer nur an der Oberfläche und zog weiter. Aber 1836… was war das für eine Zeit? Die Pearl Street hieß Pearl Street, weil sie früher mit Austernschalensplittern gepflastert war. Perlmutt. Existierte das Perlenpflaster auch noch 1836? Nicht auszuschließen, dass er auf derselben Route unterwegs war wie derjenige, der die Waffe im Jahr 1836 nach Manhattan gebracht hatte. Tallow wusste, dass die Pearl Street mal am Flussufer gelegen hatte.
    In seiner Vorstellung schimmerten die Scheinwerfer der vorbeirauschenden Autos in der zunehmenden Dunkelheit wie verlangsamte, verschwommene, der Zeit entrissene Irrlichter. Er schüttelte den Gedanken ab.
    Tallow hielt am gegenüberliegenden Straßenrand der Pearl, ein Stück hinter dem Mietshaus– gerade rechtzeitig, um zu beobachten, wie ein ECT -Truck mit der neuesten Beute aus der waffenstarrenden Schatzkammer des Apartments 3A abdampfte.
    Er stieg aus, stellte sich auf den Gehsteig und betrachtete das Haus ein Weilchen. Lange genug, um irgendwann zu bemerken, dass er Gesellschaft hatte. Etwas spezielle Gesellschaft: Neben ihm lehnte ein älterer Mann an einem Schild. Er trug einen schweren Mantel aus Wildleder oder irgendeiner anderen Tierhaut, der mit groben, unpassenden Lederfetzen geflickt war. Von seiner Schulter hing eine Felltasche. Weiche Schuhe, fast schon Mokassins, bereits voller Straßenruß, aber noch so fest, dass sie wohl relativ neu sein mussten. Haar und Bart wie Rost und Schnee. Für einen unverkennbaren Penner roch der Typ gar nicht mal so schlimm. Was soll’s, dachte Tallow, die Vielfalt des Wahnsinns ist grenzenlos.
    Und sofort sah er wieder den brüllenden, nackten Bobby Tagg mit seiner Schrotflinte vor sich.
    Dass er eine Zigarette rausgefischt und angezündet hatte, fiel Tallow erst auf, als er zum zweiten Mal dran zog. Genervt von sich selbst, betrachtete er die Kippe. Hatte er die Schachtel nicht längst wegwerfen wollen?
    » Tabak? « , fragte der Penner.
    » Äh… ja. «
    » Hast du eine übrig? «
    » Klar. « Als Tallow die Schachtel aus der Tasche kramte und eine Zigarette herausdrückte, streckte der Penner eine schwielige, von winzigen Narben gegerbte Hand aus. Der Typ hatte mal mit den Händen gearbeitet, vielleicht als Tischler, ehe was auch immer passiert war. Tallow war lange genug auf der Straße unterwegs– er wusste, dass es nichts Weltbewegendes brauchte, damit jemand plötzlich keine bessere Möglichkeit mehr sah, als im Freien zu leben und sich aus Müllsäcken zu ernähren.
    Mit einem schnellen, entschlossenen Handgriff zwickte der Penner den Filter von der Zigarette, schob ihn in die Tasche und bat mit einer Geste um Feuer. Tallow knipste das Feuerzeug an und sah, wie

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