Gut gebrüllt Löwe
— nur herein!« kreischte ihnen da eine vogelartige Stimme entgegen. Das Echo rollte die Felswände entlang.
Zögernd setzte das Kamel seine Füße. Löwe folgte unerschrocken. Im Hintergrund der Höhle flackerte Feuer. Totenschädel und ausgestopfte Tierkörper hingen an den Seiten. Die Herrin dieser Behausung hockte vor einem schwarzen Topf, in dem sie eifrig rührte. Sie hatte die Augen einer Kröte, die Nase eines Geiers und Haarsträhnen wie die zuckenden Arme eines Tintenfischs!
»Willkommen!« krächzte dieses Ungeheuer. »Setzt euch. Es ist gemütlich hier, nicht wahr? Ihr wollt wissen, wie der grausame Rao besiegt werden kann. Nun, das ist schwer, sehr schwer. Zeigt mal, was ihr mir mitgebracht habt.«
Das Kamel reichte der Hexe zögernd ein großes Goldstück, das sie zufrieden betrachtete. »Nun, es ist vielleicht doch nicht ganz unmöglich. Laßt mich nachdenken... laßt mich die Flammen befragen.« Sie warf ein Bündel getrockneter Kräuter in die Glut; prasselnd züngelte das Feuer empor und verbreitete betäubenden Rauch.
Das Kamel versuchte nicht zu atmen, um nur ja nicht zu niesen. Zukuruku schien allerlei seltsame Gestalten und Dampfgeister zu sehen, denn sie lächelte und zeigte dabei einen unendlich langen, gelben Zahn. Plötzlich sprang sie auf — sogar Löwe duckte sich erschrocken nieder — , umtanzte das Feuer mit wehendem Rock und lallte einen seltsamen Singsang:
»Kommt der Geist
in der Nacht,
bricht er Raos Mut und Macht.
Spiegel, Mond und Löwenschrei!
Plötzlich ist der Spuk vorbei!«
Dann stieß sie ein schrilles Kreischen aus und schüttelte sich, gellend lachend. Löwe und das Kamel flüchteten, von Entsetzen ergriffen, aus der Höhle.
Steine polterten, als sie den Abhang hinabgaloppierten. Das Lachen hallte hinter ihnen her und verlor sich auch dann noch nicht aus ihren Ohren, als sie schon wieder auf Schloß Firifalo angelangt waren.
»Es war doch nicht die richtige Zeit«, japste das Kamel.
Eine Deutung
»Es ist meist schwierig, Sprüche von Wahrsagerinnen richtig auszulegen, aber dieser hier ist eigentlich ziemlich verständlich!« meinte das Kamel.
Sie saßen im Thronsaal, und das Kamel wiederholte den Vers, so gut es konnte: »Ein Gespenst kommt in der Nacht, aus ist’s dann mit Raos Macht. Tönt um zwölf des Löwen Schrei, ist der ganze Spuk vorbei!«
»Ich weiß nicht...«, überlegte Löwe, »ich glaube, es war noch ein Spiegel dabei?«
»Unsinn!« sagte das Kamel. »Ihr haltet mich vielleicht für dumm, aber ich habe ein gutes Gedächtnis!«
»Niemand hat gesagt, daß du dumm bist!« meinte der Sultan und sah den Elefanten dabei augenzwinkernd an. Das sollte heißen: »Siehst du, für wie gescheit es sich hält!«
»Also, wenn das stimmt, was das Kamel sagt, was die Hexe Zukuruku gesagt haben soll, dann heißt das folgendes«, zischte die Kobra, »laßt uns mal überlegen! Ein Gespenst kommt in der Nacht... das ist klar, nur, woher kommt es? Aus ist’s mit Raos Macht. Das ist auch klar. Nun, dann: Tönt um zwölf des Löwen Schrei — ja, zwölf ist die Geisterstunde. Tönt dann des Löwen Schrei, dann heißt es, Löwe ist das Gespenst...«
»Das kann es nicht heißen!« sagte Prinz Panja. »Denn Löwe ist kein Gespenst!«
»Aber er könnte dafür gehalten werden«, meinte das Kamel, »nämlich, wenn er es spielen würde!«
»Oh, das ist wunderbar!« knurrte Löwe. »Ich spuke auf der Burg Machatofel um Mitternacht! Das habe ich mir schon immer mal gewünscht! Ihr müßt mich verkleiden! Ich werde mit klirrenden Ketten und klappernden Knochen auf der Burgmauer entlangschreiten. Es wird herrlich! Schlotternd vor Angst werden alle vor mir davonlaufen! Ich werde ein wundervolles Gespenst sein. Hoffentlich fürchte ich mich nicht vor mir selber. Und, wie komme ich auf die Burgmauer?«
»Da sieht man mal wieder, wie nötig wir den fliegenden Teppich brauchen!« sagte der Sultan. »Ich wünschte, der Teppichweber käme bald!«
»Du darfst niemanden so erschrecken, daß er Schaden erleidet!» bat Prinz Panja.
»So ganz gefällt mir die Sache nicht«, meinte die Kobra. Der Flamingo schwieg und schien hinten auf dem Rücken unter seinen Flügeln nach einer Antwort zu suchen. Auch der Elefant hatte Falten auf der Stirn, während er den Sultan aus seinen kleinen, klugen Augen besorgt ansah.
General Blech, der die ganze Zeit unbeweglich hinter Panjas Thron stand, sagte: »Ich werde das Kommando über die Blechbüchsen wieder übernehmen und sie gegen
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