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Gut gebrüllt Löwe

Gut gebrüllt Löwe

Titel: Gut gebrüllt Löwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
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Mittagsstunde zwei fremde Männer in seine dämmrige Stube traten. Sie waren gekleidet wie reiche reisende Kaufleute, gehüllt in weite Mäntel, die ihre Körperformen fast vollständig verbargen. Auf den Köpfen trugen sie breite Schlapphüte, deren Krempen tief in die Stirn hingen. Beide waren bärtig, und der eine von ihnen hatte unheimlich lange Arme, so daß er sich manchmal mit seinen Händen auf den Boden stützte.
    »Womit kann ich dienen?« fragte Sassamar und verneigte sich.
    »Wir möchten einen Teppich von dir!« sagte der kleinere der Männer, der mit den langen Armen. Er hatte eine scharfe, gequetschte Stimme.
    »Alles, was ich habe, steht zu Eurer Verfügung!« sagte Sassamar erfreut und wies auf die Wände, wo die Teppiche hingen, und auf die Stapel am Boden. »Es sind die besten Teppiche, aus fest gezwirnter Wolle, mit den echtesten Farben gefärbt.«
    »Wir wollen keines deiner Machwerke!« sagte der Mann barsch. »Wir wollen von dir einen Teppich, den du erst weben wirst!«
    »Jawohl«, antwortete Sassamar bescheiden. »Geben Sie nur an, wie Sie ihn wünschen.«
    »Hör mir gut zu und behalte jedes Wort für dich. Wenn du schwatzt, lasse ich dir die Zunge ausreißen. Zu dir wird heute noch ein kleiner, rundlicher Sultan kommen und sich von dir einen Teppich aus einer Wolle weben lassen, die er dir selber bringt. Diesen Teppich wirst du uns liefern! Wir machen dir dafür das kostbarste Geschenk, das überhaupt möglich ist. Solltest du es aber nicht tun, wirst du vor dem nächsten Sonnenaufgang tot sein!«
    »A-a-aber! Das ist ja Betrug!« stammelte Sassamar.
    »Dummkopf! Tölpel!« herrschte ihn da der größere der beiden Männer an, schlug seinen Mantel auseinander und zeigte ein eisernes Kettenhemd und einen großen Dolch in seiner Faust. »Ich bin der mächtige Rao!«

    Kaum hörte Sassamar den gefürchteten Namen, fiel er auf die Knie und stammelte: »Ich werde tun, was Ihr befehlt!«
    »Sowie du den Teppich fertig gewebt hast, bringst du ihn auf die Burg.«
    »Hüte dich aber, auch nur ein Sterbenswörtchen zu verraten«, fauchte ihn der Gibbon an. »Und noch etwas: Es ist ein ganz besonderer Teppich, ein fliegender Teppich... «
    »Ein fliegender Teppich!« stammelte Sassamar überwältigt. Denn es ist der Traum eines jeden Teppichwebers, einmal einen fliegenden Teppich herzustellen.
    »Jawohl!« sagte der Gibbon. »Du sollst ihn weben und von dem runden, dummen Sultan gleichzeitig das Geheimnis herausbekommen, auf welche Weise er ihn fliegen läßt.«
    Draußen vor dem Haus war jetzt ein Stampfen zu vernehmen, und eine quietschende laute Stimme trompetete: »Hier ist es!«
    »Laß uns durch den Hinterausgang hinaus, rasch!« befahl Rao. — »Und denk immer an meinen Dolch!«
    Sassamar schlug den Teppich zurück, der vor dem Eingang zum Nebenraum hing, und Rao und der Gibbon entfernten sich eilig. Sie kletterten über Fässer und Töpfe und wären fast in einen Tiegel mit roter Farbe gestolpert.
    Der Esel im Stall am Bach schickte ihnen ein hämisches »Iah« nach.

Das goldene Buch der Teppichweber

    Für den weißen Elefanten war die Eingangstür zu klein. Er reichte dem Sultan den Wollwickel mit dem Rüssel durchs Fenster.
    Sassamar empfing seine neuen Kunden schlotternd. Noch saß ihm die Angst in den Gliedern.
    »Ist dir kalt, mein Freund?« fragte der Sultan freundlich.
    »O nein!« stotterte Sassamar. »Ich erschrak nur, weil der Rüssel durchs Fenster kam.«
    »O entschuldige! Natürlich! Zu dumm von mir. Ich bin so an unseren Elefanten gewöhnt, daß ich gar nicht daran denke, es könnte jemand über ihn erschrecken. Nun, aber zur Sache: Kannst du mir aus dieser Wolle rasch einen Teppich weben?«
    Sassamar tat, als ob er die Wolle prüfen müsse. Er befühlte sie, und dabei klopfte sein Herz vor Erregung, weil er die wunderbarste Wolle der Welt in Händen hielt. »Warum aus dieser Wolle?« fragte er scheinheilig. »Ich habe bessere für Euch. Ich tausche sie Euch ein, es soll nichts kosten!«
    »O du gerechter Sultanspantoffel!« rief der Sultan. »Nur diese Wolle und keinen anderen Faden! Es ist nämlich die Wolle eines fliegenden Teppichs!«
    »Was?« rief Sassamar. »Das glaube ich nicht. Vielmehr — das glaube ich nur, wenn ich sie mit eigenen Augen fliegen sehe! Könnt Ihr sie fliegen lassen?«
    »Natürlich«, lachte der Sultan. Er klatschte in die Hände, rieb ihre Innenflächen dreimal gegeneinander und rief: »Teppich, erhebe dich!« Sofort hob sich der dicke Strang und

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