Gut gebrüllt Löwe
Lügen und Verleumdungen über den Prinzen aus. Schon wagt es niemand mehr, sich offen zu ihm zu bekennen. Wer es trotzdem tut, wird gefangen und gefoltert.«
»Unerhört!« brummte Löwe mit einem ganz gefährlichen Knurren tief in der Kehle. Das Kamel saß mit zitternder Unterlippe da und vergaß für einen Augenblick seine Angst vor dem Teppichflug. Es starrte den Flamingo aus feuchten Augen an. Der Sultan rief: »Das alles ist abscheulich! Wir dürfen es nicht dulden.«
»Deshalb haben wir beschlossen, euch um Hilfe zu bitten, und glücklicherweise habe ich euch gefunden. Nicht wahr, ihr steht Prinz Panja bei?«
»Natürlich!« rief der Sultan.
Löwe richtete sich auf und donnerte: »Dieser Käfer Rao und sein gespenstischer Zwerg Gibbon sollen mir nur vor den Rachen kommen!« Löwes Gebrüll schallte so mächtig, daß die Oberfläche des Meeres tief unten von kleinen zitternden Wellen überlaufen wurde.
»Aber«, wisperte das Kamel, »sollten wir nicht rasch unsere Freunde aus der kleinen Stadt Irgendwo...«
»Neulöwenburg!« verbesserte Löwe.
»...zu unserer Hilfe und Unterstützung kommen lassen?«
»Das können wir später immer noch, wenn wir wirklich alleine nicht mit diesem Rao fertig werden sollten«, entschied der Sultan. »Flamingo, wenn du dich ausgeruht hast, fliege vor uns her und weise uns den Weg nach dem geheimnisvollen Land Nekaragien und zu seinem unglücklichen Prinzen Panja.«
Der Flamingo breitete seine Schwingen aus und führte sie.
Es war weit bis zum Schloß Firifalo. Sie flogen viele Stunden. Schon lag die Sonne schräg über dem Meer. Bald würde sie untergehen.
Hinlegen! — Roll!! — Roll!!!
In der steingrauen Halle der fast uneinnehmbaren Burg Machatofel hielt der grimmige Rao Kriegsrat. Er stolzierte, ganz in ein Kettenhemd gekleidet, wütend hin und her und klirrte bei jedem Schritt.
Der gespenstische Gibbon hockte in der Fensteröffnung. Seine Arme waren so lang, daß er sich mit ihnen bequem auf den Boden stützen konnte. Unter seinem dichten, strohgelben Pelz hervor äugte er aufmerksam über die Stadt Burugel hinweg zum Schloß Firifalo, das umgeben von Blütenhainen gegenüber leuchtete.
»Wir haben es bald erreicht«, schnarrte er. »Das Schloß des Prinzen Panja wirkt schon wie ausgestorben.«
»Ich habe bald keine Geduld mehr«, brummte Rao. »Zunächst aber möchte ich wissen, wo meine bescheidene Spätnachmittagsvespermahlzeit bleibt.«
Genau in diesem Augenblick wurden die Flügeltüren aufgerissen, und herein schob sich ein großer wandelnder Tisch. Es war die Riesenschildkröte Kolossalis, die auf ihrem Rücken eine sinnreich angebrachte Tafel trug. Sie nickte mit dem Kopf und kroch, mit allen vier Füßen tappend, langsam voran. Der Tisch bog sich unter dem Gewicht der köstlichen Speisen. Ganze Schinken und Schweinerücken, in denen Messer steckten, runde Käsekugeln, duftende Brotlaiber, alle Arten von Früchten und ein rundes Weinfaß waren darauf aufgebaut.
»Endlich!« rief Rao. »Komm her, Burgrat Gibbon, komm, General Blech, wir wollen uns stärken.«
Der Gibbon griff nach einem großen Kürbis, den er über seinen Kopf hielt, während er hineinbiß, um den Saft gut schlürfen zu können. Rao schnitt sich ein mächtiges Stück Schinken ab, und auch der General der Blechbüchsenarmee, der bisher wie ein Standbild in der Ecke gestanden hatte, trat an die seltsame Tafel und goß sich Wein ein.
Die Blechbüchsenarmee hatte ihren Namen von einer Rüstung, die wirklich wie eine oben und unten offene Blechbüchse aussah. Das war sehr praktisch, denn die Soldaten brauchten diese Gehäuse nur vor ihrem Lager abzustellen, wenn sie schlafen gingen, und am Morgen von oben hineinzuspringen. Dann zogen sie die Büchsen bis unter die Achseln, so daß ihre Stiefel unten herausschauten, und schnallten sie über der Schulter mit Lederriemen fest. Diese Armee war fast unschlagbar, denn sie erwartete ihren Feind — wo immer es ging — auf der Spitze eines Abhangs. Dann brüllte der General das gefürchtete Kommando: »Alle Blechbüchsen: Hinlegen! — Roll!! — Roooll!!!« Die Trompeten schmetterten, und die Blechbüchsenarmee kollerte mit fürchterlichem Getöse abwärts, dem Feind entgegen, und wer nicht rasch genug ausriß, wurde plattgewalzt wie ein Pfannekuchen.
»Ich bin ungeduldig«, setzte Rao seine vorhin begonnene Rede fort, wobei er ungeniert kaute, schmatzte und kleine Fleischstücke ausspuckte. Seine Brauen wucherten fürchterlich über
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