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Gut gebrüllt Löwe

Gut gebrüllt Löwe

Titel: Gut gebrüllt Löwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
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ihren Nacken in höchster Erregung, und der weiße Elefant schwenkte seinen Rüssel so, als ob er ihn auf den Gibbon und den General niederschmettern wollte. Löwe aber verlor die Beherrschung. Er drehte sich um, streckte den mächtigen Kopf vor und peitschte den Boden mit dem Schwanz.
    »Der Prinz wird kommen«, brüllte er. »Aber bestelle deinem Herrn, ich werde ihn begleiten.«

    Die Wände erzitterten. Der General klirrte drei Schritte zurück. Der Gibbon duckte sich unwillkürlich und funkelte böse aus den Augen.
    Löwe bewegte sich langsam auf sie zu. Da entfernten sich der General und der Gibbon zögernd rückwärts. Als sie die Schwelle überschritten hatten, schlug Löwe die Türflügel hinter ihnen zu.
    Das Kamel flüsterte ehrfürchtig: »Gut gebrüllt, Löwe!«
    Löwe drehte sich um. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er sich so hatte hinreißen lassen, und wollte sich beim Prinzen entschuldigen. Da sah er das erste feine Lächeln um dessen Lippen spielen.

Schildkröte, flieg!

    Der nächste Morgen dämmerte. Schloß Firifalo schwieg in tiefem Schlummer. Ruhig und unberührt, wie er am vergangenen Abend dort zurückgelassen worden war, lag der fliegende Teppich auf der Marmorterrasse. Er sah aus wie jeder gewöhnliche Teppich. Wer seine besonderen Fähigkeiten nicht kannte, hätte ihn leicht für ein Werk des Teppichwebers Sassamar aus der Stadt Burugel halten können.
    Als das Grau langsam lichter wurde, waren auf den Stufen leise patschende Geräusche zu hören, ein Scharren, wie wenn ein harter Gegenstand über Steine geschleift wird, und ein feines, pfeifendes Keuchen: Die Schildkröte Kolossalis mühte sich auf die Terrasse. Eifrig schob sie sich voran. Ihre Kehle pulste vor Aufregung.
    Plötzlich hielt sie inne — fast wie vor Schreck erstarrt. Es war aber freudiges Erstaunen, das ihre winzigen Augen glitzern ließ.
    Da lag der Teppich! So rasch hatte sie ihn nicht zu finden gehofft! Welch glücklicher Zufall — und seine Besitzer schliefen genauso tief wie alle anderen Bewohner des Schlosses.
    Sie brauchte nun nichts anderes mehr zu machen, als den Teppich zu betreten. Leicht und schwerelos würde sie sich daraufhin in die Lüfte erheben — wie ein Vogel! Wie klug sie war! Weder der General noch der gespenstische Gibbon waren auf diesen kühnen Gedanken gekommen.
    Ob sie es wagen dürfte? Jetzt, wo sie nur den Fuß auf den Teppich zu setzen brauchte, um die erste fliegende Schildkröte der Welt zu werden, zitterte sie vor Furcht.
    Was würde ihr alles geschehen? Würde sie abstürzen, würde sie je wieder landen können, würde sie vielleicht vor dem Abflug entdeckt werden?
    Sie mußte sich beeilen, mußte sich entschließen, ehe die fremden Besitzer des Teppichs zurückkamen. Sie nahm allen Mut zusammen und kroch auf das bunte Gewebe. Nichts rührte sich. Nun war sie in der Mitte, unter sich das große Blumenmuster. Jetzt mußte es geschehen. Sie schloß beglückt die Augen. Sie flüsterte: »Fliegen! — Flug!! — Fluug!!!« Und sie flog! Wie schwerelos, wie so ohne jede Erschütterung sie der Teppich trug! Das war über die Maßen herrlich! Lautlos, bewegungslos, nur den frischen Wind spürte sie. Wie hoch sie schon war! Welche Ausblicke sich wohl unter ihr auftun mochten? Flüsse, Wälder, Berge — und nicht zuletzt die Stadt Burugel und die Burg, alles Dinge, die sie bisher nur von unten gesehen hatte. Ja, sie mußte es wagen und die Augen öffnen!
    Zaghaft blinzelte sie. Die helle Sonne blendete. Aber da war ja das Schloß, da die Terrasse — das große Wunder hatte nur in ihrer Einbildung stattgefunden. Ihre Enttäuschung war grenzenlos. Ach, vielleicht war nur das Kommando falsch gewesen? Hieß es nicht: »Springen! — Flug!! — Fluug!!!«? So rief sie nun und versuchte, ihren schweren Körper ein wenig zu lüpfen. Es sah aus, wie wenn ein Deckel vom Dampf eines Kochtopfes gehoben wird und gleich wieder runterplumpst.
    Auch das war vergeblich! Aber der Teppich konnte fliegen! Man hatte es ja gesehen! Also lag es nur an ihr. Sie mußte es üben. Das richtige Kommando rauskriegen. Doch jeden Augenblick konnte sie entdeckt werden. Sie mußte den Teppich stehlen.
    Eilig kroch sie hinunter. Sie schnappte die eine Ecke mit ihren starken Kiefern. Sie brauchte ihre ganze Kraft, um den Teppich auch nur ein winziges Stück zu bewegen. Endlich gelang es. Sich rückwärts schiebend, kroch sie auf die Terrassentreppe zu und schleifte den Gegenstand ihrer Wünsche hinter sich her.
    Noch

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