Gut geküsst ist halb gewonnen: Roman (German Edition)
Fingerknöchel. »Es ist jetzt sechs Monate her.«
Eine relativ kurze Zeit, um sich nach einem Ersatz umzusehen, dachte Lucy. Das konnte heißen, dass er einsam war. Oder ein gefühlloser Scheißkerl. »Woran ist sie gestorben?«
»Ein Autounfall. Es war unser zehnter Hochzeitstag, und sie wollte schnell im Supermarkt noch eine Flasche Champagner holen. Ich hab zu Hause mit zwei Dutzend Gänseblümchen auf sie gewartet, aber sie ist nicht zurückgekommen.«
Gänseblümchen? War er etwa ein knauseriger, gefühlloser Scheißkerl?
Er lachte unbehaglich und setzte seine Mütze wieder auf. »Gänseblümchen waren ihre Lieblingsblumen.«
Okay, jetzt fühlte sie sich ein bisschen schäbig. Es war schließlich möglich , dass er die Wahrheit sagte. Aber er konnte genauso gut ein Schwindler sein. Ein Schwindler mit einem Körper, der auch vernunftbegabten Frauen das Hirn umnebelte. »Sie müssen sie furchtbar vermissen.«
»Mehr als ich es je für möglich gehalten hätte. Sie hat mir alles bedeutet.« Er senkte den Blick auf den Tisch, sodass sie unter dem Mützenschirm die Emotion in seinen dunklen Augen nicht sehen konnte. »Manchmal schmerzt es so sehr …« Er schwieg mehrere Herzschläge lang, bevor er fortfuhr. »Manchmal kann ich kaum atmen.«
Oh mein Gott , dachte Lucy. Sie sollte das für Clare notieren. Clare schrieb Liebesromane, und das war wirklich herzzerreißend. Lucy musste zugeben, dass es sogar bei ihr wirkte – einer romantischen Zynikerin der härtesten Sorte.
»Sie hatte weiches rotes Haar, und wenn sie schlief, breitete es sich fächerförmig auf ihrem Kissen aus. Manchmal blieb ich wach, nur um ihr beim Träumen zuzusehen.«
Lucy zog irritiert die Augenbrauen zusammen, während in ihrem Kopf Aerosmith hämmerte. Das war entweder das Netteste, das sie je gehört hatte, oder er klaute Zitate aus Songtexten. Wenn Letzteres der Fall war, war er wirklich mies. »Wie hieß sie?«
»Millie. Wir kamen kurz vor dem Highschool-Abschluss zusammen.«
»Sie waren schon an der Highschool ein Pärchen?«
»Ja, aber wir haben uns einmal kurz getrennt, weil ich ein Trottel war.« Er zuckte mit seinen breiten Schultern, blickte aber nicht auf. »Ich war dreiundzwanzig und dachte, ich müsste auch mit anderen Frauen ausgehen. Doch nach einem Monat wurde mir klar, dass Millie alles hatte, was ich bei einer Frau suchte.« Er räusperte sich und sagte, als würde es ihm schwerfallen, die Worte herauszubringen: »Sie war die andere Hälfte meiner Seele.«
Wieder war das entweder echt romantisch oder wirklich mies. Lucy tendierte zu mies, weil an einem Typen, der den perfekten Körper hatte und trotzdem die Chatrooms nach einer Verabredung abklapperte, irgendetwas faul sein musste. Irgendeine versteckte Persönlichkeitsstörung. »Ist es nicht zu früh für Sie, sich nach einer neuen Frau umzusehen?«
»Nein.« Er blickte auf, und seine braunen Augen schauten in ihre. »Ich muss versuchen, mein Leben weiterzuleben. Ich suche keinen Ersatz für meine Frau, aber an manchen Abenden fällt mir zu Hause einfach die Decke auf den Kopf. Manchmal ist es einfach zu öde, nur mit einem Hund zur Gesellschaft zu Hause zu sitzen und Cold Case Files zu gucken.«
Er sah gern Cold Case Files ? Diese Crime-Doku-Reihe war ihre Lieblingssendung, und wenn sie eine Folge mal nicht sehen konnte, zeichnete sie sie auf. »Cold Case Files auf CBS oder A&E?«
»A&E. Mir gefallen die echten Fälle.«
»Mir auch! Haben Sie die Folge gestern Abend gesehen?«
»Wo sie den Torso in dem Sportbeutel gefunden haben?« Er lehnte sich zurück, und die Jackennähte an seinen Schultern platzten fast, als er die Arme vor der Brust verschränkte. »Ja, hab ich.«
»Da haben sie ganz schön Schwein gehabt.«
Quinn rutschte auf seinem Stuhl ein Stückchen nach unten und brachte seinen Blick auf eine Höhe mit ihrem. »Science Fiction hat die Verbrecher endlich eingeholt.«
»Das stimmt. Da fragt man sich, wie heutzutage überhaupt noch jemand mit irgendwas davonkommt.« Lucy nippte an ihrem Kaffee und gab den Versuch auf, ihn auf irgendwelche Makel hin abzuklopfen. Da sie ihn sowieso nie wiedersehen würde, war es im Grunde auch egal. »Andererseits kommen jeden Tag Leute mit Verbrechen davon. Sie müssen nur schlau genug vorgehen.«
Seine dichten Augenbrauen senkten sich nachdenklich. »Glauben Sie, dass es das perfekte Verbrechen gibt?«
Tat sie das? In ihren Büchern wurden die Fälle immer spätestens
auf der letzten Seite gelöst, die
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