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Gute Leute: Roman (German Edition)

Gute Leute: Roman (German Edition)

Titel: Gute Leute: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nir Baram
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verurteilten das Gerede über einen Krieg und seien zu der Feststellung gelangt, die westliche Presse versuche Zwietracht zwischen Deutschland und der Sowjetunion zu säen? Und was ist mit der Parade, die Sie in meine Hände gelegt haben?«
    Doch Nikita Michailowitsch hatte weder Zeit für Erklärungen noch für Entschuldigungen, seine Frau und die Kinder warteten im Wagen auf ihn. Er verabschiedete sich, murmelte, er mache sich mitnichten davon, sondern fahre nach Kobrin, um einen Gegenangriff zu organisieren.
    »Das ist es, was ich immer an Ihnen geliebt habe«, rief sie ihm verbittert hinterher. »Im Gegensatz zu mir, zu Ihrem Freund Stjopa und zu meinem Mann – ja, eigentlich zu allen – trennen Sie in Ihren Gesten noch immer fein säuberlich zwischen Wahrheit und Lüge.«
    Sie kam auf die Füße, der Soldat packte sie an der Schulter und stieß sie zum Tor. Es stank nach verbranntem Fleisch, verbranntem Rasen, verbranntem Holz. Sie stolperte über Steinhaufen, Balken, Granathülsen, zertrümmerten Hausrat und Tote in Pyjamas und Unterhemden – die Überreste des Wohntrakts, in dem sie untergekommen war, als sie in der Festung gearbeitet hatte.
    »Wir müssen uns beeilen«, schrie sie, »dort ist mein Bruder!«
    Der Soldat antwortete nicht. Sie atmete tief durch, bloß nicht anhalten, nur all diesem Tod entrinnen. Doch der Gestank wurde immer stärker, penetrante Ausdünstungen hingen schon an ihrer Haut und in ihrer Kleidung, kamen aus seiner Uniform und seinem Mund. Sie erbrach sich, der Soldat drückte ihr seine Feldflasche an die Lippen. Das brackige Wasser ekelte sie. Er riss ihr die Feldflasche aus der Hand und trank gierig.
    »Wir müssen uns beeilen!«, schrie sie erneut.
    »Beeilen, beeilen«, brummte er und führte sie zum Hauptappellplatz. Akazienstämme und Fliederbäume waren in die Kanäle gestürzt. Für einen kurzen Moment hing ein frischer Geruch in der Luft. Die Erde war von Kratern übersät, von oben ertönte abermals ein infernalisches Pfeifen, und aus dem zitternden Erdboden rollte ein Donner heran wie von einer nahenden Lawine. Sie bemerkte Feuer in den Fenstern des Schlosses. Einige Soldaten standen tatenlos neben ihren Geschützen.
    »Sie haben keine Munition«, murmelte der Soldat. »Eine Armee von Barfüßigen und Huren.«
    Das Bild der in Qualm gehüllten Festung und die reglos neben ihren Geschützen verharrenden Soldaten erinnerten sie von fern an das Szenario der »Kriegsspiele«, das sie für die Parade gezeichnet hatte. Er führte sie in eine langgestreckte Höhle, deren Wände modrig und feucht waren. Scharen von Soldaten, weinende Frauen mit wirren Haaren, flüsternde Männer, junge Burschen von zigeunerhaftem Aussehen, Gesichter, wie sie sie noch nie in der Stadt gesehen hatte, ein infernalischer Chor aus Keuchen und Krächzen, den Schreien der Verwundeten und dem Weinen der Kinder.
    Sie drängte sich durch die Menge, warf Blicke nach rechts und nach links, wo sie hinschaute, schien sich das Licht zu bündeln, und zwischen Hunderten von schmutzigen Gesichtern suchte sie nach Kolja. Menschen verfluchten die Führung der Oblast, die sich aus der Stadt davongemacht hatte, beugten sich über einen Radioempfänger, sprachen sehnsuchtsvoll über die Hilfe, die man aus Kobrin erwartete. Um eine Petroleumlampe gedrängt saßen Kinder in einer Wandnische und hobelten Holzscheite zu Messern. Begeistert sprachen sie darüber, wie sie die hölzerne Waffe einem deutschen Soldaten in den Hals rammen würden. »Auch einer Soldatin würde ich das Messer tief in den Hals bohren wie nichts«, brüstete sich ein Junge. Sie strich über die Klinge ihres Taschenmessers und ließ es dann neben den Kindern fallen. Sogleich stürzten sich alle darauf.
    Die Hitze wurde immer unerträglicher, und eine stickige Wolke wälzte sich durch die Biegungen der Höhle. Jemand suchte brüllend nach einem Victor Nestorowitsch Krawtschuk, war er tot oder in Gefangenschaft geraten? Der Name kam ihr bekannt vor. Während ihrer ersten Wochen in Brest hatte sie eine Liste mit den Namen der Soldaten aus Koljas Einheit besessen. Morgen für Morgen hatte sie dieses Blatt Papier zur Hand genommen und versucht zu erraten, wer ein Freund und wer ein Gegner von Kolja war. Jetzt schien ihr, dass es dort einen Krawtschuk gegeben hatte.
    Sie drängte sich in einen Pulk von Soldaten und fragte nach Kolja und Krawtschuk.
    Die Soldaten antworteten, Krawtschuk sei einer der Grenzwächter des NKWD gewesen, aber einen Nikolai

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