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Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Gute Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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ohne starke Gefühle. Ein ausgeglichenes, gewöhnliches Gesicht. Ein Gesicht, das man leicht vergessen konnte.
    Doch Gurney wusste, dass er es schon einmal gesehen hatte.
    Als er es endlich zuordnen und mit einem Namen verbinden konnte, wollte er es zuerst nicht glauben. Mehrmals musste er blinzeln, bis jeder Zweifel an der Identität des Mannes wich. Eine harmlose, stille Erscheinung, hinter der man nie und nimmer den Guten Hirten vermutet hätte.
    Als sich in Gurney langsam die Erkenntnis festsetzte, dass kein Irrtum vorlag, spürte er fast körperlich, wie sich in seinem Kopf die Puzzleteilchen neu ordneten und ein ganz anderes Bild ergaben.
    Larry Sterne sah ihn mit einer Miene an, die eher nachdenklich als furchtsam wirkte. Larry Sterne, der ihn bei der ersten Begegnung an Mister Rogers erinnert hatte. Larry Sterne, der sanftmütige Zahnarzt. Larry Sterne, der abgeklärte Dentalchirurg. Larry Sterne, der Sohn von Ian Sterne, der ein millionenschweres Schönheitsimperium aufgebaut hatte.
    Aber nicht nur das: Ian Sterne hatte auch eine schöne, junge russische Pianistin eingeladen, sein Haus in Woodstock mit ihm zu teilen. Und sicherlich sein Bett. Und vielleicht sein Vermögen.
    Herr im Himmel, war das der Hintergrund dieser grässlichen Ereignisse?
    Hatte Larry Sterne einfach sein Erbe gesichert? Hatte er seine finanzielle Zukunft vor den unberechenbaren Eskapaden seines Vaters geschützt?
    Natürlich handelte es sich um ein beträchtliches Erbe. Ein Erbe, das sich auszahlte. Im Grunde eine Gelddruckmaschine. So etwas verlor niemand gern.
    Hatte der ruhige, sanfte Larry durch den Mord an seinem Vater einfach dem Risiko vorgebeugt, dass diese Gelddruckmaschine in den Pianistenhänden der schönen Russin landete? Und darüber hinaus durch fünf weitere Morde einfach dem Risiko vorgebeugt, dass die Polizei jene Frage stellte, die ihr sofort eingefallen wäre, wenn Ian Sterne das einzige Opfer geblieben wäre: Wer ist der Nutznießer? Die Antwort hätte unweigerlich zu Larry geführt.
    In dem seltsamen Gemisch aus Mondlicht und flackernden Scheinwerfern konnte Gurney sehen, dass Sterne seine Waffe immer noch ruhig in der Hand hielt, doch der Blick des Mannes verriet ihm noch etwas anderes. Der Gute Hirte schien zu begreifen, dass seine Möglichkeiten schwanden. Es war schwer, die Gefühle in diesen Augen zu deuten. War es Angst? Wut? Die wilde Entschlossenheit einer in die Enge getriebenen Ratte? Oder hatte dieser kühle Rechner durch seine fieberhaften Kalkulationen einfach die Grenze der Belastbarkeit überschritten?
    Gurney hatte den Eindruck, dass er einen letztlich völlig emotionslosen, mechanischen Prozess miterlebte. Den gleichen emotionslosen, mechanischen Prozess, der verantwortlich war für viele, viele Tote.
    Wie viele Tote? Mit dieser Frage rückte plötzlich der White-Mountain-Würger in den Blickpunkt. Er war nach dem gleichen Muster vorgegangen – nur ein Mord war wichtig, die anderen dienten dazu, das Motiv zu kaschieren – und dafür in die Rolle eines Psychokillers mit weißem Seidentuch geschlüpft. Gurney fragte sich, was Larrys Freundin getan haben mochte. War sie schwanger geworden? Aber vielleicht handelte es sich bloß um eine Bagatelle. Für einen Mann wie Larry – den White-Mountain-Würger, den Guten Hirten – erforderte Mord keinen ernsten Grund. Was zählte, war allein die Aussicht auf einen Nutzen, der den Aufwand überwog.
    Mit einem Schauer erinnerte er sich an die Worte des RAM -Predigers: Leben auszulöschen, es wegzublasen wie einen Rauchschwaden, es zu zertrampeln wie einen Klumpen Erde – das ist das Wesen des Bösen.
    Draußen hinter dem Biberteich jaulte fünf Sekunden lang eine Sirene auf und verstummte wieder, bevor mit voller Lautstärke die Megafondurchsage wiederholt
wurde.
    Gurney drehte sich in seinem Stuhl und spähte durch das Fenster. Starke Scheinwerfer tauchten das Grundstück in grelles Licht. Was er nach dem Schuss gehört hatte, war bestimmt ebenfalls die Sirene gewesen. In seiner Verwirrung und beeinträchtigt durch das beharrliche Sirren in seinen Ohren hatte er das Geräusch mit Musik verwechselt. Und was sich für ihn wie eine große Trommel anhörte, waren die wummernden Rotoren eines kreisenden Hubschraubers, dessen Suchscheinwerfer immer wieder über die Hütte, das trockene Schilf und die kahlen, aus dem schwarzen Wasser ragenden Baumstämme fegten.
    Gurney wandte sich zurück zu Sterne. Zwei Fragen aus einer Liste von vierzig oder fünfzig

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