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Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Gute Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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konzentrieren, am Leben zu bleiben.
    »Ich frage mich, wie viele andere Menschen Sie getötet haben, von denen wir nichts wissen. Wahrscheinlich einige. Hab ich recht?«
    »Selbstverständlich.«
    Gurney war verblüfft über die Offenheit der Antwort und sah erstmals einen Hoffnungsschimmer. Vielleicht ließ sich der Mann ja in eine Art Dialog verwickeln und dazu bewegen, mit seinen Taten zu prahlen. Schließlich besaßen Soziopathen ein ausgeprägtes Ego und genossen ihre Macht und die Resonanz auf ihr kaltblütiges Morden. Möglicherweise konnte er ihn dazu bewegen, von sich zu erzählen, und so die Chancen auf ein Eingreifen von außen erhöhen.
    Doch die kleine Hoffnung schwand sogleich wieder, als Gurney klar wurde, was es mit der Gesprächigkeit des Mannes auf sich hatte: Seine offenen Geständnisse bedeu-
teten kein Risiko, weil Gurney sowieso bald tot sein würde.
    Zynischerweise klang sein Flüstern plötzlich ganz sanft. »Was für Fragen stellen Sie sich noch?«
    »Ich frage mich, in welcher Beziehung Sie zu Robby Meese standen. Was hat er von sich aus getan, und wozu haben Sie ihn angestiftet? Warum haben Sie ihn am Schluss getötet? Dachten Sie, dass die Polizei an seinen sogenannten Selbstmord glaubt?«
    »Was noch?«
    »Ich frage mich, ob Sie tatsächlich den Verdacht für den Mord an Ruth Blum auf Max Clinter lenken wollten oder ob das nur ein albernes Spiel war.«
    »Was noch?«
    »Ich frage mich, ob Sie dachten, dass die Nachricht auf Ruths Facebook-Seite für echt gehalten wird.«
    »Was noch?«
    »Ich frage mich, wie das mit meiner Scheune war.« Gurney versuchte, in seine Fragen möglichst viele Pausen einzubauen. Je länger es dauerte, umso besser – in jeder Hinsicht.
    »Sprechen Sie weiter, Detective.«
    »Ich frage mich, wie die GPS -Sender unter die Autos montiert wurden. Ich frage mich, ob Robby die Idee hatte, Kims Wagen zu präparieren. Robby der Stalker.«
    »Was sonst?«
    »Manche Dinge, die Sie getan haben, sind ziemlich schlau, andere ziemlich dumm. Ich frage mich, ob Sie das wissen.«
    »Provokation ist zwecklos, Detective. Sind Sie am Ende Ihrer Überlegungen angelangt?«
    »Mich beschäftigt auch der White-Mountain-Würger. Wirklich ein merkwürdiger Fall mit interessanten Einzelheiten. Sind Sie damit vertraut?«
    Langes Schweigen. Zeit bedeutete Hoffnung. Zeit gab Gurney Raum zum Nachdenken und vielleicht sogar die Chance, nach seiner Waffe auf dem Tisch hinter ihm zu greifen.
    Mit honigsüßem Schnurren meldete sich der Hirte wieder zu Wort. »Irgendwelche letzten Gedanken?«
    »Nur noch einen. Wie konnte jemand von Ihrer Intelligenz so einen Riesenfehler wie den mit der Werkstatt Lakeside Collisions begehen?«
    Schweigen. Beunruhigendes Schweigen, hinter dem sich alles verbergen konnte. Vielleicht war es ihm endlich gelungen, den Guten Hirten aus der Fassung zu bringen. Aber genauso gut konnte sich dessen Finger bereits um den Abzug krümmen. Gurney spürte ein Flattern im Bauch.
    »Wovon reden Sie?«
    »Das werden Sie bald herausfinden.«
    »Ich will es aber jetzt wissen.« Das Flüstern gewann eine neue Intensität, und im Mondlicht blitzte etwas Metallisches auf.
    Zum ersten Mal erhaschte Gurney einen Blick auf den Lauf einer großen, keine zwei Meter entfernten Pistole.
    »Jetzt«, wiederholte der Hirte. »Erzählen Sie mir von der Werkstatt.«
    »Sie haben Spuren hinterlassen.«
    »Ich hinterlasse keine Spuren.«
    »An diesem Abend schon.«
    »Sagen Sie mir, was es genau war. Sofort.«
    Gurney war sich darüber im Klaren, dass es keine gute Antwort gab – keine, die ihn retten konnte. Wenn er preisgab, dass die Polizei einen Reifenabdruck entdeckt hatte, durfte er nicht länger mit Schonung rechnen. Und um sein Leben zu flehen war sowieso zwecklos. Der einzige Hauch von Hoffnung, seinen Tod noch ein wenig hinauszuzögern, lag darin zu mauern: Er musste sich weigern, mehr zu verraten.
    Es kostete Gurney viel Kraft, ohne Zittern in der Stimme zu sprechen. »Sie haben auf dem Parkplatz von Lakeside Collisions den Schlüssel zu Ihrem Geheimnis hinterlassen.«
    »Ich mag keine Rätsel. Sie haben drei Sekunden, um meine Frage zu beantworten.«
    »Eins.« Langsam hob er die Waffe, um auf Gurneys Gesicht zu zielen.
    »Zwei.« Der Lauf blinkte im Mondlicht.
    »Drei.« Er drückte ab.

50
    Apokalypse
    Der Mündungsblitz und der ohrenbetäubende Knall ließen Gurney so heftig zurückzucken, dass sein Stuhl nach hinten umgestürzt wäre, wenn da nicht der Tisch gestanden hätte. Eine

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