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Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Gute Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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Minute lang konnte er nichts sehen, und er hörte nur ein heftiges Dröhnen.
    An seiner linken Halsseite spürte er etwas Feuchtes, ein leichtes Rieseln. Er legte die Hand an die Wange und merkte, dass auch sein Ohrläppchen nass war. Als er die Finger nach oben schob, entdeckte er eine stark brennende Stelle ganz oben am Ohr, die blutete.
    »Legen Sie die Hände wieder auf den Kopf. Sofort.« Wie aus weiter Ferne drang das Flüstern durch das Tosen in Gurneys Ohren.
    Trotzdem ließ er sich nicht zweimal bitten.
    »Sie können mich hören, ja?«, fragte die gedämpfte Stimme.
    »Ja.«
    »Gut. Passen Sie jetzt genau auf. Ich stelle meine Frage noch einmal. Sie müssen darauf antworten. Ich kann genau beurteilen, was wahr ist und was nicht. Wenn ich die Wahrheit höre, fahren wir mit unserer netten kleinen Unterhaltung fort. Aber sobald sie lügen, drücke ich wieder ab. Verstanden?«
    »Ja.«
    »Bei jeder Lüge verlieren Sie etwas. Und beim nächsten Mal nicht nur ein winziges Stück vom Ohr, sondern ein wichtigeres Körperteil. Verstanden?«
    »Verstanden.« Das Dröhnen in seinem Kopf ließ allmählich nach, und er konnte wieder klar sehen. Nach wie vor erhellte nur ein schwacher Streifen Mondlicht das Zimmer.
    »Also gut. Ich will alles über diesen sogenannten Fehler bei der Werkstatt wissen. Keine Rätsel. Die reine Wahrheit.« Der chromblitzende Pistolenlauf senkte sich langsam nach unten, bis er auf Gurneys rechten Knöchel zielte.
    Gurney biss die Zähne zusammen, um nicht zu zittern
bei der Vorstellung, was eine Desert-Eagle-Patrone mit
diesem Gelenk anrichten konnte. Der sofortige Verlust des Fußes wäre schon schlimm genug, doch das eigentliche Problem war die Arterienblutung.
    Abgesehen davon musste er einsehen, dass wahrheitsgemäßes Antworten auf diese oder die folgenden Fragen ohne-
hin kein geeignetes Instrument darstellte, um den Lauf der Dinge zu beeinflussen. Entscheidend war allein, wie sicher sich der Gute Hirte fühlte. Und das konnte sich von jetzt an nur noch in eine Richtung bewegen. Denn es gab kein denkbares Szenario, in dem Gurney lebend eine geringere Bedrohung für den Guten Hirten darstellte als tot.
    Die einzige noch offene Frage war also, wie viele Körperteile zerschmettert würden, ehe er starb. Bevor er allein mitten in einem Sumpf im Nirgendwo auf dem Boden von Max Clinters Hütte verblutete.
    Er schloss die Augen und sah Madeleine auf der Anhöhe.
    Pink, violett, rosa, orange, scharlachrot, schimmernd in der Sonne.
    Er ging auf sie zu, durch Gras, das frisch war wie das Leben und so roch, wie es im Himmel duften musste.
    Sanft strichen ihre Finger über seine Lippen, und sie lächelte. »Du findest bestimmt einen Weg.«
    Und dann war er tot.
    Dachte er zumindest. Durch die geschlossenen Lider erahnte er etwas Helles. Es wurde begleitet vom Klang ferner Musik und vom Schlagen einer großen Trommel – schwach zuerst, dann immer stärker, bis es das Dröhnen in seinen Ohren übertönte.
    Und auf einmal hörte er die Stimme.
    Die Stimme, die ihn zurückholte in die Hütte mitten im Sumpf im Nirgendwo. Eine megafonverstärkte Stimme.
    » POLIZEI … NEW YORK STATE POLICE … LEGEN SIE DIE WAFFEN WEG UND ÖFFNEN SIE DIE TÜR … SOFORT … LEGEN SIE DIE WAFFEN WEG UND ÖFFNEN SIE DIE TÜR … HIER SPRICHT DIE NEW YORK STATE POLICE … LEGEN SIE DIE WAFFEN WEG UND ÖFFNEN SIE DIE TÜR .«
    Gurney schlug die Augen auf. Statt des Mondes leuchtete jetzt ein Scheinwerfer ins Zimmer. Er blickte hinüber zu seinem furchterregenden Widersacher, der sich bisher wie ein Ninja unsichtbar in der Dunkelheit verborgen hatte. Nun stand dort ein Mann von durchschnittlicher Statur in brauner Hose und lohfarbener Strickjacke, der die Hand schützend vor die Augen hielt, um nicht geblendet zu werden. Gurney hatte Mühe, diese unspektakuläre Gestalt mit dem mörderischen Ungeheuer seiner Fantasie in Einklang zu bringen. Doch in der anderen Hand des Mannes erkannte er die unleugbare Verbindung zu dem Ungeheuer: eine blinkende Desert-Eagle-Pistole Kaliber .50. Die Waffe, die verantwortlich war für das Blut, das Gurney über den Hals sickerte, den beißenden Gestank in der Hütte und das anhaltende Lärmen in seinen Ohren.
    Um ein Haar hätte diese Pistole seinem Leben ein vorzeitiges Ende gesetzt.
    Der Mann drehte sich ein wenig aus dem grellen Licht und nahm gelassen die Hand von den Augen. Dahinter kam ein starres, faltenloses Gesicht zum Vorschein. Ein unauffälliges Gesicht ohne besondere Merkmale,

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