Guten Abend, Gute Nacht
veränderte sich das Hintergrundgeräusch. Ich drehte erfolglos die Lautstärke hoch und höher, bis dann ein Geräusch wie von einem wilden Tier, das aus seinem Käfig heraus wollte, aus dem Lautsprecher plärrte und von den Wänden zurückgeworfen wurde. Während ich die Lautstärke wieder herunterdrehte, schrie Mrs. Daniels: »Oh, mein Gott, oh, mein Gott, stellen Sie das ab, stellen Sie das ab!«
Der Lärm hatte sich wie der Schrei eines jungen Mannes angehört.
Mrs. Daniels weinte. »Das ist William... das ist William. Seine Alpträume... Oh, mein Gott, er hat sie aufgenommen, damit er... sich selbst hören konnte.... Oh, mein Gott.«
Ich ließ sie ein oder zwei Minuten in Ruhe, holte ihr ein paar Kleenex aus dem Bad. Ich setzte mich auf den Schreibtischstuhl, sie blieb auf dem Bett. Allmählich beruhigte sie sich, trocknete ihre Tränen und sah mich mit geröteten Augen an. »Tut mir leid.«
»Schon in Ordnung. Können Sie jetzt sprechen?«
»Ja«, sagte sie und putzte sich die Nase. »Mir geht’s schon wieder gut.«
»William hatte also Alpträume?«
»Ja.«
»Wann haben die angefangen?«
»Ungefähr zu der Zeit, als er auf das Goreham College wechselte. Nein.« Sie schniefte. »Nein, eher so um Thanksgiving herum. Er kam dort nicht gut zurecht, seine Noten und all das andere muß ihn mehr belastet haben, als ich dachte. Dann ist er wieder hierhergezogen, und da fingen dann diese schrecklichen Alpträume an. Nicht oft, aber er hat geschrien, mitten in der Nacht, so... so mitleiderregend wie ein verwundetes Tier. Er hat geschrien, und dann bin ich in sein Zimmer gelaufen. Ich meine, er war zwar auf dem College, aber er war immer noch mein Sohn. Er lag völlig verspannt und verschwitzt auf dem Bauch, aber den Kopf hatte er im Kissen vergraben, und er hatte sich halb auf die Knie gezogen, wie ein kleines Kind, das sich vor der Dunkelheit versteckt. Und ich habe versucht, ihn in den Arm zu nehmen, aber er hat mich abgeschüttelt, hat mich sogar« — sie senkte ihre Stimme, sprach langsamer jetzt — »hat mich sogar einmal geschlagen, und er hatte mich noch nie geschlagen, noch nie. Aber er hatte noch geschlafen und wußte nicht, was er tat, hat nicht mal gewußt, daß ich es war. Aber dann ist er schließlich doch aufgewacht und hat geweint und gezittert, wie bei Schüttelfrost, obwohl doch die Heizung an war und alles. Es war schrecklich, wenn sie kamen, die Alpträume. Einfach schrecklich.«
»Ist er deswegen je zu einem Arzt gegangen.«
»Ich habe William gesagt, er sollte dem Psychiater, zu dem er ging, davon erzählen. Oder wenigstens Dr. Lopez drüben auf der U Mass, aber er hat mir nie gesagt, ob er es auch getan hat.«
»Darf ich den Recorder und die Kassette mitnehmen?«
»Also, ja, ich glaube schon. Meinen Sie, die könnte ihm helfen?«
»Sie könnte mir helfen.«
»Dann nehmen Sie sie mit.«
Sie versprach nachzusehen, ob noch weitere Kassetten da waren. Ich hoffte, daß ich ein paar beruhigende Worte für sie fand, während sie mich zur Tür begleitete.
Als ich die Treppe hinunter und zu meinem Wagen ging, starrte ich nur auf den Recorder statt nach vorne. Dumm.
Ich war keine sieben Meter von ihnen entfernt, als ich ein eigenartiges Geräusch vernahm, und aufschaute. Meine drei Freunde vom letzten Mal lungerten auf derselben Treppe herum und grinsten mich frech an. An meinen Wagen gelehnt, den Hintern gegen die Zierleiste auf der Fahrerseite gedrückt, stand ein anderer, älterer Schwarzer. Er war vielleicht einsfünfundachtzig, einsneunzig groß. Er trug ein ärmelloses Sweatshirt und sah ziemlich kräftig aus. In der linken Hand hielt er eine Schneekette, mit der er lässig gegen meine Tür schlug. Er mußte gerade erst damit angefangen haben, denn das war das Geräusch, durch das ich aufgeschaut hatte: Ein rhythmisches Trommeln wie Hagel auf einem Blechdach. »Herzlich willkommen«, sagte der Bursche, an den ich mich als den Wortführer erinnerte.
»Schön zu sehen, daß du dich langsam unserer Kultur anpaßt«, meinte Treppenhocker und deutete mit dem Kopf auf den Recorder.
Ich wechselte das Ding in die linke Hand, hielt es am Tragegriff vor meinem Bauch. »Wie läuft das Schutzgeldgeschäft?« fragte ich.
»Ziemlich ruhig«, sagte Wortführer, »bis du vorbeigekommen bist.«
»Und wieso kommst du drauf, daß es jetzt besser wird?« Treppenhocker wedelte großmütig mit den Händen und sagte mit Fistelstimme: »Vielleicht hast du Floyd, meinen lieben Bruder, noch nicht
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