Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Guten Abend, Gute Nacht

Guten Abend, Gute Nacht

Titel: Guten Abend, Gute Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeremiah Healy
Vom Netzwerk:
anrufen.
    »Sam, ich möchte Ihnen eine Frage stellen. Ich mache das wirklich nicht gern, aber es könnte mir helfen.«
    »Fragen Sie.«
    Ich legte beide Hände flach auf den Tisch, etwa in einem Abstand von der Breite von Creasys Schultern. Ich sagte: »Hat Jennifer jemals bei Ihnen Annäherungsversuche gemacht?« Noch bevor er Anstalten machte aufzustehen, schlug er mit der Linken nach meinem Gesicht. Ich riß die rechte Hand hoch und parierte. Er stand auf, und ich auch schnell, als er mit seiner Rechten nach mir ausholte. Ich fing den Schlag mit dem linken Unterarm ab, und der Tisch kippte um, die Vase und die Gläser knallten auf den Boden.
    Der Lärm schien Creasy abzulenken. Er bückte sich nach der Blume. Ich sagte: »Schneiden Sie sich nicht.«
    Er brummte etwas und richtete sich wieder auf. »Tut mir leid.« Er machte nicht den Eindruck, als wollte er mich noch einmal angreifen. Er stellte den Tisch und die Stühle, die ebenfalls umgestürzt waren, wieder hin. »Bitte«, sagte er, bedeutete mir mit einer Handbewegung, mich wieder zu setzen. Ich nahm wieder Platz. Er schaute aus dem Fenster und sprach leise.
    »Es war kurz vor Weihnachten. Tyne war in New York. Sie fährt jedes Jahr für die Weihnachtseinkäufe hin. Ich kam ziemlich spät von einem dieser Sport-Bankette nach Hause, auf denen Geld für einen guten Zweck gesammelt wird. Ich kann mich nicht einmal mehr erinnern... Wie auch immer, ich saß jedenfalls neben einem ehemaligen Spieler der Red Sox, den ich bewundert hatte, als ich an die Ostküste gekommen bin. Er trank ziemlich viel und... ich aber nicht. Ich blieb jedenfalls während und nach diesem Dinner noch auf ein paar Drinks bei ihm. Dann bin ich nach Hause gefahren. Jennifer hörte mich hereinkommen.
    Ich habe gehört, wie sie die Treppe herunterkam. Ich rief ihr etwas zu. >Neckisch<, wie sie später sagte. Ich bin kein >neckischer< Mann, John. Aber ich fühlte mich gut, und deshalb rief ich ihr etwas zu, sagte, na, wie geht’s dir, wie kommt’s, daß ein hübsches Mädchen wie du hier abends allein rumhockt und so weiter. Es lag am Alkohol. Ich hatte ihr immer noch den Rücken zugekehrt, als ich meinen Mantel und die Aktenmappe auf einen Stuhl fallenließ. Dann sagte sie: >Du klingst neckisch heute abend. Tja, ich fühle mich auch neckisch.< Und dann drehte ich mich um. Sie...« Creasy schluckte schwer. »Sie trug nur BH und Slip. Sie kam auf mich zu. Ich war viel zu... benommen, um mich zu rühren oder etwas zu sagen. Sie griff hierhin« — er stieß auf Höhe seines Brustbeines auf seine Krawatte — »und öffnete ihren BH. Er... sie lagen einfach bloß, und dann hat sie ihre Arme um meinen Hals gelegt, und hat mich geküßt, fest und offen. Ihr Mund, meine ich. Ich... ich kam wieder zur Besinnung und stieß sie fort, fester als unbedingt nötig. Sie stieß gegen ein kleines Regal vor der Wand und warf eine Vase um. Eine teure Vase, das Hochzeitsgeschenk einer Tante von Tyne. Sie fiel auf den Boden und zerbrach, und Jennifer rannte fort, lief die Treppe hinauf, beschimpfte mich. >Ich dachte, du wolltest Spielen<, sagte sie, wieder und wieder, während sie die Stufen hinaufrannte. >Ich dachte, du wolltest spielen.<«
    Creasy schluckte, schloß die Augen. »Das war’s.«
    »Haben Sie Ihrer Frau davon erzählt?«
    Er schüttelte den Kopf. »War nicht nötig. Jennifer hat es getan. Sie hat sich in ihrem Zimmer eingeschlossen, ihre Mutter in New York angerufen und gesagt, ich wäre betrunken und über sie hergefallen. Ich habe vor Jennifers Tür gestanden. Sie brüllte mir zu, daß ich an einen anderen Apparat gehen sollte, daß Tyne mit mir reden wollte. Ich bin in unser Schlafzimmer gegangen und habe den Hörer abgenommen. Tyne war — ich glaube, sie hatte auch etwas getrunken — Tyne war hysterisch, hat mich mit allen möglichen Schimpfwörtern belegt, hat gedroht, die Polizei zu verständigen. Es war ein Alptraum.«
    Er hob das Gesicht, sah mich an, beugte sich dann weit über den Tisch. Er sah Gregory Peck wirklich ziemlich ähnlich. In der Zusammenbruchs-Szene in Twelve O’Clock High.
    Er sagte: »Jetzt verstehen Sie, warum ich wissen muß, ob die Polizei den richtigen erwischt hat. Den, der sie wirklich umgebracht hat.«
    Ich sagte: »Ja, ich verstehe«, auch wenn ich nicht die leiseste Ahnung hatte, was er meinte.
     

DREIUNDZWANZIG
     
     
     
    Auf dem Weg zu meinem Wagen beschloß ich, daß vor meiner Verabredung mit Professor Kirby noch genug Zeit für einen kleinen Besuch

Weitere Kostenlose Bücher