Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition)
wunderbar!«
Absolon presste den Kiefer so fest zusammen, dass es schmerzte. Niemand sollte diesen Duft besitzen. Diese Haut, das Haar, das bläulich schimmerte, als bestünde es aus Ambrosia. Und sicher war es ebenso berauschend.
»1000! Oh ja! Das ist wahre Kennerschaft. Verkauft, für eintausend Cölntaler.«
Den Rest der Versteigerung nahm Absolon nur als nebliges Gebilde aus blauem Rauschen und Gerüchen wahr. Aus Kälte und Gier und der Stimme in seinem Kopf, die sich in seinen Geist fraß, jeden Winkel erkundete, berührte, leckte, ihn vögelte wie eine billige Hure, ohne, dass er etwas dagegen tun konnte.
Absolon fand sich in dem düsteren, stinkenden Gang vor der Janusklause wieder. Frierend, schwitzend, die Finger um das schmale Handgelenk eines Kindes gekrallt. Wie war er hierhergekommen? Das letzte, an das er sich erinnerte, war ein grellblauer Blitz, der in seinen Schädel schlug und alles in Brand setzte. Kaltes, blaues Feuer, das wie an einer Lunte entlang durch seine Synapsen raste und unter der Großhirnrinde explodierte.
»Absolon, warte!« Van Rijn blieb schwer atmend neben ihm stehen. Seine Wangen waren gerötet und in seinen Augen glänzte die gleiche widerliche Geilheit, die in Absolons Lenden riss und zerrte und die er kaum bändigen konnte. Dieser verdammte Auktionator! Wie hatte er das geschafft? Magie? Diese Stimme. Sie klang in Absolons Ohren nach, als bestünde die Verbindung noch immer. Das Kind zuckte, als sich sein Griff unwillkürlich verstärkte.
Er schüttelte den Kopf und rieb sich über die Augen. »Was? Was hast du gesagt?«
»Du wolltest mir Magister Pötts‘ Gehirn zeigen, hast du das vergessen?«
»Ich besuche dich morgen in deinem Laboratorium, Theodorus, dann werde ich dir sagen, was du für mich tun kannst. Falls du es kannst, wirst du es zu sehen bekommen.«
Van Rijn runzelte die Stirn und betrachtete das Kind mit unverhohlener Begierde. »Nun, heute scheinst du anderweitig beschäftigt zu sein. Also gut, ich sehe dich morgen.« Er drehte sich um und betrat wieder die Janusklause.
Das Kind gab einen erstickten Laut von sich und Absolon lockerte den Griff. Erst jetzt sah er sich seine überteuerte Errungenschaft genauer an. Bleiche Wangen, ein glasiger Blick, der unter fettigen Haaren ins Leere starrte. Eintausend Cölntaler für dieses magere Stück Fleisch. Er spuckte aus und machte sich auf den Heimweg. Mager oder nicht, für seine Zwecke war es genau das Richtige.
***
Felix strich an den Wänden der Höhle entlang. Die Unruhe wurde stärker und stärker und trieb ihn voran. Er musste seine Kraft nutzen, sonst würde er explodieren. In seinen Barthaaren klebte Blut und auch sein Fell war von dunkelroten Spritzern übersät, die zu schwarzen Knoten trockneten. Er blieb stehen und knurrte. Zwei Katzen näherten sich ihm mit zwischen die Beine geklemmten Schwänzen und begannen sein Fell sauber zu lecken. Gedämpfte Geräusche drangen in die abgelegene Höhle. Menschen. Er hatte sich von der Menschensiedlung fern gehalten, war immer auf der Hut gewesen, keinem von ihnen zu begegnen.
Er erinnerte sich an seinen Menschen. Er hatte ihm Futter gegeben, doch er hatte schlecht gerochen. Krank und böse. Nie wieder hatte er einem von ihnen begegnen wollen. Er hatte keinen Grund dazu. Und doch zog es ihn mit einem Mal zu ihren schmutzigen Häusern hin. Was hatte er schon zu fürchten? Er war stärker als sie. Klüger. Und er trug die Kraft in sich. Niemand konnte ihm etwas anhaben, sie waren viel zu einfältig und schwach, sie würden ihn nicht einmal als das erkennen, was er war. Aufregung und Vorfreude machte sich breit. Ja, er freute sich darauf, ihre Siedlungen zu durchstreifen, in ihre Häuser einzudringen. Warum? Weil er es konnte. Er stieß die Katzen beiseite und machte sich auf den Weg.
9
Es war zum Ersticken warm in dem kleinen Zimmer. Martha hätte nur zu gerne das Fenster geöffnet, aber heute war wieder einer der Tage, an denen die Wolke aus Qualm und Ruß so dicht über den Häusern hing, dass kaum Tageslicht bis zum Grund der Straßen gelangte. Das war eine Nebenwirkung des Schutzschirms, den die Dampfmagische Gesellschaft seit dem britannischen Unglück über der Stadt aufrecht erhielt. Der Luftaustausch funktionierte unter dem Schirm nicht besonders gut. Martha blickte sehnsüchtig zum Fenster. Nur ein paar Minuten, ein wenig Luft schöpfen. Aber ihre Erfahrung ließ sie von diesem Impuls Abstand nehmen. Statt der erwarteten frischen
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