Gwen (German Edition)

Billigabsteige. Ein paar andere waren aber ganz passabel. Dirk kannte die eine oder andere sogar aus dem Royal. Krämer engagierte sie gelegentlich zur Unterhaltung von speziellen Großkunden.
    Zwei der jüngeren heulten und schauten auf die dürre, schwarze Frau auf dem Bett. Auf ihrem Nachthemd und dem Bettlaken waren große Blut- und andere Flecken, die Dirk am besten nicht näher abcheckte. Die Frau war offenbar tot.
    Gwennie flutschte an ihnen vorbei. „Was ist los? War der Notarzt schon da?“ Jetzt hatte sie sich so weit vorgedrängelt, dass auch sie die Frau auf dem Bett sah.
    Eine schlanke Rothaarige in einem geilen Leder fummel sagte: „Ja. Der Krankenwagen war soeben da und ist wieder abgefahren. Sie konnten nichts mehr machen. Grace ist gestorben, kaum dass du weg warst. Gleich werden die Polizei und die Gerichtsmedizin kommen und sie holen.“
    Ein junges Ding schluchzte auf. War das nicht die Kleine, die Gwennie bei Dirk abgeliefert und das Kopfgeld kassiert hatte? Sicher war er sich nicht, weil sie die Hände vors Gesicht hielt und sich in den Armen der Rothaarigen im Lederfummel ausweinte.
    Gwennies Schultern sackten nach unten, als hätte ihr einer den Stecker rausgezogen . Dirk schnappte sie am Arm und zog sie ins Treppenhaus. „Was zum Teufel ist hier los?“
    Gwennie s Stimme klang mit einem Mal müde. „Götterdämmerung.“
    „Was?“
    Sie blinzelte, als hätte er sie aus einem Tagtraum rausgeholt. „Diese Frau da drinnen, Grace, hat gerade ein Baby bekommen. Es war tot. Und jetzt ist sie auch tot. Sagt dir der Begriff Götterdämmerung nichts?“
    Also hatte er sich doch nicht verhört. „Eine Wagner-Oper?“
    Jetzt wurde sie laut: „ Götterdämmerung ist das, was ihr aus Produkt 4 macht, Idiot!“
    Obwohl sie deutsch redeten, zog Dirk Gwen ein Stück von den anderen weg, die alle intere ssiert rüberschauten. Möglichst leise sagte er: „Wie kommst du denn darauf?“
    Sie scherte sich einen Dreck um mögliche Zuhörer und plättete ihm in unverminderter Lautstärke: „Sie nennen es hier auch den Stoff aus Europa . Es war eine Zeit lang nicht lieferbar. Rate mal wann! Und nach deinem Umzug in die Vereinigten Staaten und dem Wiederanschmeißen deiner Giftküche steht es auf wundersame Weise erneut zur Verfügung.“ Sie ballte die kleinen Fäuste. „Ich habe keine Beweise, aber sobald ich sie habe, werde ich deine Drecksfirma und dein Verbrecher-Alphabet damit fertigmachen.“
    „Verdammt, Gwennie!“
    „Und dieses Statler-Gift, das sie hier so zynisch die Götterdämmerung nennen - was schon irgendwie an seine ursprünglich deutsche Herkunft erinnert, findest du nicht? - gefährdet unzählige Menschen. Grace war davon abhängig und ist mit ihrem Baby gestorben. Beschränkt sich deine Ethikphobie nur auf den Umweltschutz, oder lässt dich auch das hier völlig kalt?“
    „ Klar lässt es mich nicht kalt, verdammt!“ Um ehrlich zu sein, machte es ihn ziemlich fertig. Besonders die Tatsache, dass Gwennie ihn für das alles verantwortlich machte. Er war knapp davor, ihr zu erzählen, dass SIE der verdammte Grund dafür war, dass Dirk nicht anders konnte, als Produkt 4 auf den Markt zu schmeißen wie blöd.
    Aber Dirk riss sich zusammen und sagte nichts. Denn wenn sie wüsste, dass sie A’s Druckmittel war, würde sie nur noch mehr ausrasten und womöglich versuchen, A aus der Reserve zu locken. Und das konnte Dirk nicht gebrauchen. Wo er jetzt so nah dran war, A bei den Eiern zu kriegen.
    Er war mit Gwennie schon die halbe Treppe unten, als es ihr gelang, sich loszureißen, weil sie ihm ihren Schuh i ns Gesicht schleuderte und er dabei kurz seinen Griff lockerte. Sie rannte die Treppe wieder rauf und brüllte dabei: „ Hört alle her! Ich bin Gwen O’Connor von Survival und dieser Dreckskerl will mich entführen und einsperren.“
    Dirk hatte sie fast schon erreicht, da wurde er plötzlich umringt von einem Haufen Nutten. Je mehr er zur Seite schob, desto mehr rückten nach. Als er endlich die Treppenstufe erreichte, wo Gwennie gerade noch gestanden hatte, war sie weg. Spurlos.
    Wie i mmer.
    Klar wusste er, dass es sinnlos war, sie zu suchen. Trotzdem drängte er sich durch bis zum nächsten Treppenabsatz und stieß die Türen dort auf. Die erste war verschlossen, das zweite und dritte Zimmer war leer und das vierte auch verschlossen. Kurz überlegte er, ob er nicht die zugesperrten Türen eintreten sollte, entschied sich aber dagegen, denn er hatte in diesen Sekundenbruchteilen,