Gwydion 02 - Die Macht des Grals
meinen Kindern.“
Edwins Gesicht war weiß vor Wut.
„Unter deinen Kindern. Dass ich nicht lache!“
Gwyn hielt den Atem an. Er sah von Muriel zu Edwin, von Edwin zu seinem Vater. Do Griflet war wie zu Stein erstarrt.
Gwyn wurde schwindlig, denn ein bitterer Verdacht stieg in ihm auf. Plötzlich stürmten die Erinnerungen auf ihn ein: der Tag, an dem die Sachsen den Hof überfallen hatten und an dem plötzlich wie zufällig Sir Humbert aufgetaucht war. Das seltsame, beinahe feindselige Verhalten seines Vaters gegenüber dem alten Ritter. Sir Humbert, der sterbend den Namen seiner Mutter Valeria gerufen hatte.
Gwyn räusperte sich. „Als Humbert von Llanwick vor einigen Wochen hier auftauchte – das war nicht sein erster Besuch, habe ich Recht?“
Sein Vater erwachte aus der Erstarrung und ließ Edwin los, sagte aber nichts.
„Wieso kannte er meine Mutter?“, bohrte Gwyn weiter.
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst“, presste Do Griflet hervor, wich dabei aber seinem Blick aus.
Edwin lachte plötzlich laut auf und schüttelte den Kopf, als habe sein Vater gerade einen besonders guten Witz erzählt.
„Nun erzähl schon die Wahrheit“, fuhr Edwin den Vater an. „Sag ihm, dass er der Bastard einer dahergelaufenen römischen Hure ist.“
Kalte Wut stieg in Gwyn hoch. Er hatte noch nie den Wunsch verspürt, einen Menschen mit bloßen Händen zu töten, doch die Vorstellung, Edwin bei lebendigem Leib das Herz herauszureißen, schien ihm auf einmal sehr verlockend.
„Du bist also nicht mein Vater?“, flüsterte er.
Do Griflet schaute Gwyn hilflos an, als wüsste er nicht, was er auf diese Frage antworten sollte. Dann schloss er die Augen und schüttelte langsam den Kopf.
Muriel stieß einen heiseren Schrei aus und schlug bestürzt die Hände vor den Mund.
„Wer war meine Mutter?“, fragte Gwyn mit zitternder Stimme.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Do Griflet müde. „Dem Klang ihrer Stimme nach muss sie vom Festland gekommen sein, auf jeden Fall war sie eine Römerin… Valeria war auf der Flucht, als ich sie eines Tages im Wald fand.“
„Vor wem ist sie geflohen?“
„Das wollte sie mir nicht sagen. Sie hatte Angst um ihr ungeborenes Kind, das sie in wenigen Wochen zur Welt bringen sollte.“
Gwyn starrte Do Griflet wie gebannt an, der sichtlich um Worte rang.
„Deine Mutter war ein bemerkenswerter Mensch. Gebildet. Oh, sehr gebildet sogar. Sie konnte lesen und schreiben und sprach mehrere Sprachen. Sie hatte viel von der Welt gesehen. Nun… mehr als ich oder meine Frau. Doch sie war nie herablassend zu uns gewesen, sondern hatte uns stets mit Respekt und Dankbarkeit behandelt.“ Er blickte Gwyn traurig an. „Valeria war eine sehr schöne Frau, und wenn ich in deine Augen schaue, sehe ich sie wieder vor mir.“
Gwyn schwieg unbehaglich.
„Damals lebten wir in Chulmleigh, einem Ort nicht viel größer als Redruth. Natürlich konnten wir Valerias Anwesenheit nicht vor den anderen Dorfbewohnern verbergen“, fuhr Do Griflet fort. „Also mussten wir uns eine Geschichte ausdenken, die aber nicht allzu überzeugend war. Ich war noch nie ein Meister im Lügen, das habe ich erst später gelernt. Jedenfalls begannen die Leute mit der Zeit zu reden. Ein Mann mit zwei Frauen und eine davon in guter Hoffnung, das war unerhört. Wir hatten gerade selbst unser zweites Kind bekommen, Muriel. Und man stellte natürlich Fragen, die wir nicht beantworten konnten. Denn meine Frau und ich hatten Valeria unser Wort gegeben. Schließlich machten die ersten hässlichen Gerüchte die Runde.“ Do Griflet kratzte sich mit zitternder Hand das Kinn. „Für meine Frau muss es schrecklich gewesen sein, das ist mir erst später aufgegangen. Doch in dieser Zeit hatte ich nur Augen für Valeria. Es war, als hätte sie mich…“
„Verhext“, sagte Edwin finster.
„Verzaubert“, vollendete Do Griflet den Satz, ohne auf seinen Sohn zu hören. Edwin schnaubte verächtlich, schwieg aber.
„Als deine Geburt näher rückte, ging es Valeria immer schlechter. Ich ging, um eine Heilerin zu holen, doch niemand wollte unser Haus betreten. Also brachte mir Valeria alles bei, was sie wusste. Ich kümmerte mich nur noch um sie, vernachlässigte meine eigene Familie. Noch heute möchte ich bei dem Gedanken daran am liebsten vor Scham im Boden versinken. Aber ich konnte nicht anders. Ich wusste, dass sie ohne meine Hilfe sterben würde.“
„Nun, sie tat es trotzdem“, sagte Edwin kalt.
Do senkte den Blick.
Weitere Kostenlose Bücher