Gwydion 02 - Die Macht des Grals
denen er seine Unsicherheit verstecken konnte. „Ich bin froh, dass ich die Wahrheit erfahren habe“, sagte er schließlich und versuchte ein Lächeln aufzusetzen.
„Und ich bin dankbar für das, was Vater für mich getan hat. Dafür werde ich immer in seiner Schuld stehen. Deswegen gebe ich euch ein Versprechen: Ich komme wieder und ich werde alles wieder gutmachen. Vorher muss ich jedoch erfahren, was geschehen ist. Ich glaube, die Flucht meiner Mutter hat mit den vergangenen Ereignissen auf Camelot zu tun.“
„Da ist noch etwas, was du wissen solltest, Gwyn“, sagte Do Griflet. „Du warst keine zwei Jahre alt, als Humbert von Llanwick zum ersten Mal hier auftauchte.“
„Er hat mich gesucht?“, fragte Gwyn.
„Ja. Und er war erstaunlicherweise sehr zufrieden, dass es so lange gedauert hatte, dich zu finden. Als er sah, dass du in guten Händen warst, ist er weitergezogen. Doch vorher sagte er, er käme wieder, wenn dein Leben in Gefahr sei.“
Gwyn starrte Do Griflet wie vom Donner gerührt an. Konnte es sein, dass der Überfall der Sachsen etwas mit ihm zu tun hatte? Schließlich waren Fürst Aeulf und seine Männer Mordreds Verbündete.
Aber es gab noch einen anderen Grund, warum Gwyn von hier fortmusste. Der Fremde im Stall würde sterben, wenn man ihm nicht bald helfen würde. Er hatte behauptet, beinahe den Gral in seinen Händen gehalten zu haben. Den Gral, nach dem Artur und die Ritter der Tafelrunde seit vielen Jahren verzweifelt suchten. Er war die einzige Spur, die dahin führte. Wenn der Mann tatsächlich vergiftet worden war, gab es nur einen, der ihn retten konnte: Merlin.
Gwyn betrat das niedrige Bauernhaus und holte seinen Waffenrock mit dem roten Drachen Camelots aus der Kiste, um ihn wieder anzulegen. Er war froh, die viel zu eng gewordene Kleidung eines Schweinehirten endlich ablegen zu können. Der weite Überwurf, der um den Bauch mit einem Gürtel zusammengebunden wurde, ließ ihn freier atmen. Mit einigen Handgriffen zog er den Rock gerade und streifte ihn glatt. Da vernahm Gwyn aus einer dunklen Ecke ein Scharren. Er drehte sich um und sah im Dunkeln die Gestalt von Edwin, die auf dem Boden kauerte. Gwyn schulterte seinen Beutel und trat zögernd auf ihn zu.
„Spar dir deine Abschiedsworte, du Bastard“, zischte ihn Edwin an. „Hör mir genau zu, was ich dir jetzt sage. Egal, wo du bist, ich finde dich. Und dann wirst du dafür bezahlen, dass du meine Familie zerstört hast. Ich schwöre: Ich werde dir alles nehmen, was dir wichtig ist. Du kannst davonlaufen, dich aber nicht vor mir verstecken.“ Er stand auf und spuckte vor Gwyn auf den Boden.
Ohne den Blick von Edwin abzuwenden nahm Gwyn das Schwert vom Haken, band es sich auf den Rücken und hob den Beutel mit seinen Habseligkeiten auf, der vor ihm auf dem Boden lag. Dann drehte er sich um und trat hinaus.
Muriel hatte Pegasus bereits angespannt und zusammen mit ihrem Vater den Fremden auf den Karren gelegt. Ohne ein Wort über den Vorfall mit Edwin zu verlieren, nahm Gwyn erst Muriel, dann den Vater in die Arme. Do Griflet trat einen Schritt zurück, als er Gwyn zum ersten Mal in seinem höfischen Aufzug sah.
„Wie lange wirst du unterwegs sein?“, fragte er.
„Fünf Tage, vielleicht sechs“, entgegnete Gwyn.
„Versuche es in drei. Ich habe dir einen Beutel mit Kräutern mitgegeben. Sollte es ihm schlechter gehen, brühe sie auf und flöße ihm den Sud ein. Das sollte das Fieber senken und ihn vor weiteren Krampfanfällen bewahren.“
Gwyn nickte. „Danke“, sagte er schließlich. „Für alles.“ Als sein Blick wieder auf Muriel fiel, lächelte er. „Beinahe hätte ich etwas vergessen“, sagte er und kramte etwas aus seinem Beutel hervor. „Hier. Ich habe dir versprochen, dass du sie wiederbekommst.“ Er drückte ihr eine Silbermünze in die Hand.
Muriel zog die Nase hoch und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen. „Ich wusste immer, dass du dein Versprechen hältst.“
Gwyn nahm sein Pferd am Zügel und saß auf. Dann flüsterte er Pegasus etwas ins Ohr und ohne sich noch einmal umzuschauen ritt er davon.
Der erste Ritter des Königs
Für April waren die Tage schon erstaunlich warm. Gwyn war zwar froh, dass es nicht regnete, doch die Sonne, die von einem strahlend blauen Himmel herunterschien, war bereits so heiß, dass er sich Sorgen um seinen Begleiter machte. In Redruth erstand er eine Zeltplane, die er über den Karren spannte und so dem Kranken ein
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