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Gwydion 02 - Die Macht des Grals

Titel: Gwydion 02 - Die Macht des Grals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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dieses kargen Landstrichs mit seinen schroffen Küsten hatten ihre armseligen Hütten wieder aufgebaut und gingen der Feldarbeit nach. Als Gwyn vorbeiritt, hielten sie inne, nahmen ihre Kopfbedeckungen ab und verneigten sich tief. Sie hielten Gwyn, der den Waffenrock mit dem roten Drachen Camelots trug, für einen Edelmann, und einem solchen hatte man als Bauer den nötigen Respekt zu erweisen. Gwyn hatte sich noch nicht daran gewöhnt, wie er vom einfachen Volk behandelt wurde – war er doch selbst bis vor kurzem noch ein Bauernjunge gewesen, der die Schweine seines Vaters gehütet hatte. Nur die Aussicht, die verblüfften Gesichter seines Vaters, Do Griflet, und vor allem seines verhassten älteren Bruders Edwin zu sehen, war der Grund, warum er den Waffenrock noch nicht abgelegt hatte.
    Je näher er Redruth kam, desto beklommener fühlte er sich. Was würde ihn dort erwarten? Nach dem Überfall der Sachsen, die den Hof der Familie verwüstet und geplündert hatten, hatte er sich in der Nacht heimlich davongestohlen, um Sir Humbert zu folgen. Gewiss, er hatte sich schon lange mit dem Gedanken getragen, sein Glück woanders zu suchen. Der Hof war zu klein, um sie alle zu ernähren, und sein älterer Bruder Edwin hatte ihm das Leben zur Hölle gemacht. Doch hatte er nicht seine Familie in Zeiten der Not im Stich gelassen, nur um auf Abenteuerjagd zu gehen?
    Kurz bevor er Redruth erreichte, bog er links in einen kleinen Weg ab, der ihn nach etwa einer Meile zum Hof seines Vaters führte. Es war ein seltsames Gefühl, wieder heimzukehren. Aber kehrte er überhaupt heim? Gehörte er nicht doch längst nach Camelot? Gwyn wusste es nicht. Aber er hoffte, hier eine Antwort zu finden.
    Gwyn zügelte Pegasus und gemächlich schritt das Pferd den schmalen Hohlweg zu Do Griflets Hof hinauf. Als sie das Tor erreichten, blieben sie stehen.
    Gwyns Schwester Muriel hatte eine Leiter an den Stall gelehnt und besserte mit Stroh das Dach aus. Gwyn sah, dass ihr die Arbeit nur schwer von der Hand ging, doch obwohl sich die Büschel nur mit großer Mühe zuschneiden ließen, gab sie nicht auf. Immer wieder wischte sie sich den Schweiß von der Stirn. Als sie das Schnauben des Pferdes hörte, hielt sie mit der Arbeit inne und blickte auf.
    „Was kann ich für Euch tun, Herr? Wenn Ihr etwas zu essen haben wollt, muss ich Euch enttäuschen. Wir haben selber nichts.“
    Sie schien keine Angst zu haben, obwohl er bewaffnet und zu Pferd war, und Gwyn spürte eine Welle der Zuneigung zu seiner tapferen Schwester in sich aufsteigen. Als Gwyn sich nicht rührte, stieg sie die Leiter hinab und ging auf ihn zu.
    „Ich kann Euch allenfalls etwas zu trinken anbieten…“ Sie verlangsamte den Schritt und riss plötzlich ungläubig die Augen auf. „Oh mein Gott“, flüsterte sie und schlug die Hand vor den Mund. „Gwyn?“
    „Ja“, sagte Gwyn mit einem zaghaften Lächeln und stieg vom Pferd.
    „Gwyn!“, schrie Muriel. Jetzt gab es kein Halten mehr. Sie rannte auf ihren Bruder zu und warf sich in seine Arme. „Ich hätte niemals geglaubt, dass du zurückkehrst!“ Sie löste sich von ihm und trat einen Schritt zurück. „Ich habe dich im ersten Moment gar nicht wiedererkannt! Was für Kleider trägst du da überhaupt?“ Dann fiel ihr Blick auf das Schwert. „Nein!“, wisperte sie. „Du hast es wirklich geschafft? Du bist tatsächlich Ritter geworden?“
    „Ein Ritter?“ Gwyn lachte und winkte ab. „Nein, das bin ich nicht.“
    „Aber… das Schwert, der Waffenrock!“ Sie schaute an ihm vorbei. „Und das Pferd! Ich dachte, nur Ritter – “
    „Ich bin… war ein Knappe. Was das anbelangt, haben wir dieselben Rechte wie unsere Herren.“
    „Knappe?“, fragte Muriel verwirrt. „Wessen Knappe? Hat dich Sir Humbert als sein Schüler angenommen?“
    „Humbert ist tot“, entgegnete Gwyn ernst. „Er ist gestorben, um mein Leben zu retten.“
    Muriel sah Gwyn bestürzt an.
    „Das und noch einige anderen Dinge sind der Grund, warum ich Camelot verlassen habe“, fuhr Gwyn fort.
    Muriel machte große Augen. „Camelot? Du meinst doch nicht etwa das Camelot, von dem uns Vater immer erzählt hat? Wo König Artur herrschen soll?“
    Gwyn nickte nur.
    „Dann ist es doch kein Märchen?“, fragte sie fassungslos.
    Gwyn schüttelte den Kopf. „Nein, es ist alles wahr.“
    „Und man hat dich dort so einfach aufgenommen?“
    Gwyn musste grinsen, als er an seine Ankunft in Camelot dachte. Nein, so einfach war das nicht gewesen.

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