H2O
Journalisten haben über Monsieur Designes brutales Ableben und das gleichzeitige Verschwinden von Monsieur Ziegler ausführlich berichtet. Habgier lenkt die Welt. Die menschliche Natur ist manchmal enttäuschend, Monsieur Sénéchal.«
»So ist es. Warum haben Sie Ihre Proteine nicht einfach mit dem Flugzeug geschickt?«
»Monsieur Designe wollte sie unbedingt möglichst diskret auf die Jacht der Abyss Foundation geliefert bekommen. Ich musste mich all seinen Wünschen beugen, verstehen Sie?«
»Nein.«
Am anderen Ende der Leitung wurde es still. Sénéchal wartete geduldig. Dann vernahm er die ins Stocken geratene Stimme Takenushis.
»Monsieur Sénéchal ... ich möchte Ihnen schlicht und einfach sagen, dass dieser für die Ziegler-Laboratorien vorgesehene Schatz in Wirklichkeit etwas war, was man gemeinhin als Lösegeld bezeichnet.«
»Ein Lösegeld? Im Gegenzug wofür, Monsieur Takenushi?«
»Diese miese kleine Erpressung hat mich viel Zeit gekostet, Monsieur Sénéchal. Und Zeit ist etwas, das ich nicht mehr im Überfluss besitze, Sie verstehen? Entschuldigen Sie meine Ungehörigkeit, aber ich muss mich jetzt ausruhen. Adieu, Monsieur Sénéchal.«
Der alte Japaner legte auf. Der Umweltinspektor wählte mehrmals seine Nummer, doch niemand meldete sich.
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Sénéchal schenkte Vannier noch einmal nach.
»Wie finden Sie diesen südafrikanischen Wein?«
Das kantige Gesicht des Gesetzeshüters hatte sich leicht gerötet.
»Beachtlich, und dieser Dorsch in Rougaille-Sauce ist köstlich ... Sie hätten das Gleiche bestellen sollen.«
»Nein, danke ... Von Fisch habe ich vorerst genug!«
Der Umweltinspektor musterte den Beamten gedankenvoll und fragte schließlich:
»Was meinen Sie, warum haben Designe und Ziegler sich gerade Puits des Français für die Übergabe ausgesucht?«
»Nun, diese Gegend wird von uns nicht besonders häufig kontrolliert, weder von der Küstenwache noch vom Militär.«
»Aber sicher auch, weil genau in dem Gebiet ein Fischer namens Hoareau zu Beginn dieser ganzen Geschichte einen sonderbaren Fisch gesichtet hat. Der gute Mann hat eine Hütte am Strand, nicht weit vom Kap entfernt. Tagein tagaus fischt er am Korallenriff. Und genau dort ist er dem vorsintflutlichen Viech begegnet.«
»Lassen Sie mich raten ... Daraufhin patrouillieren Ziegler und Co. in dem Bereich und halten Ausschau nach dem alten Fisch.«
»Exakt. Kommen wir nun zu jener Nacht, in der Takenushis Bote mit seinem Kahn aufkreuzt, bevor ein Irrer mit einem Raketenwerfer seinen Weg kreuzt ...«
»Und was ist mit dem Korallenfischer?«
»Für die Jagd nach dem Quastenflosser braucht man Treiber ... Ziegler und Konsorten haben ihm eine hübsche Prämie versprochen, wenn er ihnen hilft, das äußerst seltene Tier zu fangen. Tagsüber schläft unser Freund, und nachts sucht er den Winkel ab, wo er das Tier entdeckt hat.«
»Wieso nachts?«
»Unser Freund weiß von Phibes, dass der Vierfüßer ein Räuber ist, der nachts aus den Tiefen aufsteigt, um zu jagen. Er weiß auch, dass der Fisch ein Höhlenbewohner ist und sich diese Höhle womöglich ganz in der Nähe befindet. In jener Nacht haben alle diesen Fischer völlig vergessen, denn alle starren gebannt auf das Signal des von Takenushi geschickten Bootes. Doch er ist ganz in ihrer Nähe ... unter Wasser ... und als er wieder an die Oberfläche kommt, kann er in der Ferne die Positionslichter von Zieglers Jacht erkennen. Nach einem letzten Tauchgang kehrt er zu seiner Hütte zurück und legt sich brav ins Bett. Kurz darauf hört er den Außenborder am Kap vorbeifahren. Das macht ihn stutzig. Wie Sie sicher schon erraten haben, handelt es sich um unseren Freund Bienaimé, der, von seinen Großtaten beim ›Schiffeversenken‹ noch etwas angeschlagen, zurückkehrt ... Der Fischer schnappt sich sein Fernglas. Der Außenborder, dessen Eigentümer er nicht sehen kann, steuert mit hohem Tempo auf eine kleine, von Kokospalmen gesäumte Bucht zu.«
»Das ist ja wie in Das Fenster Zum Hof mit Grace Kelly und äh ...«
»James Stewart ... Unser Fischer ist inzwischen hellwach. Er springt in seine Barkasse und fährt zu der Bucht hinüber, wo er den Außenborder im Schlick findet. Er bemerkt die schwarzen Spuren an Deck und die drei Einschüsse im Bug. Im Boot findet er einen ihm unbekannten Gegenstand, nimmt ihn an sich und verschwindet eilig ... Denn er vermutet zu Recht, dass an der Sache etwas faul ist. Doch seine Neugier wird ihn teuer zu stehen kommen
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