H2O
Nummer von Akira Takenushi. Eine höfliche Stimme erklärte ihm, der alte Herr ruhe sich gerade aus. Doch der Inspektor blieb hartnäckig. Ein kurzer Piepton, und schon ertönte die schnarrende Stimme des Greises.
»Monsieur Sénéchal? Ich fühlte mich außerordentlich geehrt, Sie neulich bei mir begrüßen zu dürfen. Darf ich hoffen, dass der kolorierte Stich, den Sie gewiss während der gesamten Rückreise wie Ihren Augapfel gehütet haben, Ihnen ein wenig Freude bereitet?«
»Ein wahres Fest für die Sinne, Monsieur Takenushi, aber ...«
»Dieser alte, wie zum Verkauf auf einem japanischen Markt mit Blüten dekorierte Quastenflosser ist ein Scherz auf meine Kosten. Und ein wenig auch auf Ihre.«
»Ich muss gestehen, dass ich ihn nicht ganz verstehe.«
»Einer unserer größten Künstler namens Hiroshige, der gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts lebte, hat eine berühmte Serie von Holzschnitten gemacht, die auf Märkten ausgestellte Fische zum Motiv haben ...«
»Waren in Japan zu jener Zeit viele Quastenflosser auf den Märkten zu bestaunen?«
»Oh, dieses bescheidene Geschenk ist kein Werk von Ando Hiroshige ...«
Sénéchal hörte den alten Mann seufzen.
»Nein, es ist die Arbeit eines sehr alten Freundes, der inzwischen verschwunden ist. Ich hatte ihn gebeten, für mich das Werk dieses Künstlers zu vervollständigen und dabei seiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Ich wollte Sie an diesem Vergnügen teilhaben lassen.«
»Da gerade von diesem Tier die Rede ist, würde ich Ihnen diesbezüglich gern ein paar Fragen stellen.«
»Nur zu! Doch bevor wir dieses Gespräch vertiefen, Monsieur Sénéchal, möchte ich Sie davon in Kenntnis setzen, dass meine Firma gewisse elektronische Systeme entwickelt hat.«
Dem Umweltinspektor entging die Ironie im Ton des Alten nicht.
»Diese Systeme informieren mich über das Vorhandensein von Aufnahmegeräten in der Leitung und sind sehr zuverlässig. Oh, missverstehen Sie diesen Hinweis bitte nicht als kommerzielle Werbung meinerseits.«
»Schon gut. Aber ich benötige keine Aufzeichnung unseres Gesprächs, Monsieur Takenushi. Lassen Sie uns doch Schluss machen mit den Spielchen! Ich bin dahintergekommen, was Sie mit dem Quastenflosser machen wollen. Sie wollen ihn klonen wie Ihre verdammten T5K!«
Der alte Mann lachte leise.
»Das würde Ihnen gar nicht passen, Monsieur Sénéchal, nicht wahr?«
»Ich fürchte, Sie kommen vom Thema ab, Monsieur Takenushi!«
»Betrachten wir die ganze Angelegenheit doch mal ganz nüchtern, Monsieur Sénéchal. Wie stehen Ihrer Meinung nach die Chancen, ein Quastenflosserpärchen lebend zu fangen?«
»Sie sind äußerst gering.«
»Exakt. In der Natur sind die Überlebenschancen für eine seltene Art begrenzt. Ich frage Sie noch einmal, wie stehen die Chancen, dass ein junger Quastenflosser in den Tiefen des Meeres überlebt? Wir wissen, dass die Weibchen ovovivipar sind, also die Jungen im Mutterleib ausbrüten, die dort voll entwickelt zur Welt kommen - allerdings immer nur einige wenige. Wie groß ist die Chance, dass diese Jungen zu ausgewachsenen Tieren heranreifen, ohne vorher einer Krake, einem Hai oder einem anderen ihrer natürlichen Feinde zum Opfer zu fallen?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
»Sie sind minimal. Und zu guter Letzt, wie stehen die Chancen, dass sich ein Männchen und ein Weibchen einer so seltenen Art unter Wasser überhaupt begegnen, um neue Quastenflosser hervorzubringen? Ich rede nicht von der Wasserverschmutzung, dem Quecksilber und anderen Faktoren. Auch nicht von Krankheiten.«
»Ich weiß nicht, aber ...«
»Ich habe meine Informatiker unter der Leitung eines Statistikers gebeten, solche Szenarien zu simulieren. Und das, ohne über gesicherte Zahlen bezüglich potenzieller Populationen, Faktoren der Sterblichkeit von Jungtieren und andere Parameter zu verfügen ... Die mir übermittelten Zahlen hinsichtlich der Überlebenschancen dieser unglaublichen Tiere sind so lächerlich niedrig, dass ich sie für vernachlässigbar halte. Wussten Sie, dass es zwei Arten dieses alten Vierfüßers gibt?«
»Ja, den indonesischen Manado-Quastenflosser, Latimeria menadoensis, und den afrikanischen Komoren-Quastenflosser, Latimeria chalumnae.«
»Bravo, ich sehe, Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht. Aber wissen Sie, worin sich die beiden unterscheiden?«
»Der Manado-Quastenflosser ist seltener. Und natürlich wollen Sie diesen klonen, nicht wahr?«
»Ihn klonen, Monsieur Sénéchal. So
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