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H2O

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Titel: H2O Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patric Nottret
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über die sein dicker Bauch quillt, und sucht mit zusammengekniffenen Augen den Himmel ab. Dann bemerkt er die Frau und hebt grüßend die Hand. Sie lächelt dem jungen Dorfvorsteher zu. Ein Blitz erhellt die silbrigen Wedel der Palmen, ein Knacken ertönt, gefolgt von neuerlichem Donnergrollen. Plötzlich läuft der junge Mann mit besorgtem Gesicht in den strömenden Regen hinaus. Er stützt sich mit beiden Händen auf das Geländer des Balkons und reckt den Hals, um besser sehen zu können.
    Das Schwein ist in die Schlammpfütze gefallen, die Füße strampeln in der Luft, ein Blutstrahl schießt stoßweise aus seinem Bauch empor. Plötzlich zuckt es, als wolle es sich aufrappeln, und stößt einen entsetzten, fast menschlichen Schrei aus.
    Der Dorfvorsteher fährt herum und rennt in sein Haus zurück.
    Dort hinten kommen bewaffnete Männer angelaufen.
 
    Der mit einer Plane abgedeckte Pritschenwagen rast holpernd durch die Schlaglöcher eines Erddeichs. Wassergarben spritzen auf die Reisfelder zu beiden Seiten. Wütend reißt der Fahrer das Lenkrad nach rechts und links, um auf dem schlammigen Boden nicht die Kontrolle über das Fahrzeug zu verlieren. Hinten klammern sich Männer an der Rüstleiter fest. Einer von ihnen trägt einen verwaschenen Drillichanzug und auf dem Kopf eine grüne Militärmütze. Über das Dröhnen des Motors hinweg brüllt er bärtigen Turbanträgern mit Patronengürteln auf den nackten Oberkörpern Befehle zu. Dann geht er heftig in die Kurve, brettert einen Hügel hinauf und hält mit quietschenden Bremsen neben einem verbeulten Auto. Der Wagen steckt schief im Schlamm, und ein Aufkleber an der Heckscheibe verkündet Allahu Akbar - Gott ist größer. Der Wagen ist leer.
    Die bärtigen Männer heben den hinteren Teil der Plane an und springen auf den Boden. Vom Wagen aus wirft der Mann mit der Schirmmütze jedem ein Sturmgewehr zu. Dann schwenkt der größte von ihnen eine kurze Machete in Richtung Dorf und stößt einen Kriegsschrei aus. Und schon rennen sie alle im strömenden Regen auf nackten Füßen durch die Pfützen. Durch die Windschutzscheibe, über die unablässig der Scheibenwischer gleitet, sieht der Fahrer ihnen nach, bis sie im Regen verschwinden. Dann nimmt er ein Fernglas aus dem Handschuhfach. Hinter ihm betätigt der Soldat mit der grünen Schirmmütze den Verschluss eines Langstreckengewehrs. Eine Waffe der Armee.
 
    Die alte Frau in ihrer Hütte hat sich nicht vom Fleck gerührt. Wie im Traum hört sie die Schreie, die vom Dorf herüberschallen, und trotz des niederprasselnden Regens vernimmt sie einen Gong, der ohne Unterlass geschlagen wird. Alarm. Die Männer sind da, etwa zehn Meter von ihr entfernt bei dem toten Schwein. Sie haben Sturmgewehre, Macheten und Pistolen. Sie zählt fünf. Jugendliche in dunklen Hemden und Shorts, das halblange Haar mit Schals gehalten. Sie wirken unentschlossen, so als würden sie auf etwas warten. Sie haben sie gesehen, interessieren sich aber nur für die Häuser. Die Frau zittert vor Angst. Sie ist sicher, dass Verstärkung kommen wird.
    Der Anführer, ein junger Bursche mit Schnurrbart, heller Haut und einem schwarzen Cape, das durchnässt an seinem Rücken klebt, blickt noch einmal ungeduldig um sich. Dann trifft er eine Entscheidung. Er richtet den Lauf seines Sturmgewehrs auf die geöffnete Tür des großen Hauses und feuert eine Salve ab, die ins Holz der Balustrade schlägt. Eines der Büffelhörner fällt vom Giebel auf den Balkon, prallt ab und landet im Matsch vor seinen Füßen, was bei seinen Gefährten Heiterkeit auslöst. Er wendet sich zu ihnen um und hebt, ebenfalls lachend, sein Gewehr. Plötzlich explodiert das schwarze Cape zwischen seinen Schultern. Sein Lächeln erstarrt, er lässt die Waffe fallen, seine Knie geben nach. Mit weit geöffneten Augen sinkt er in Zeitlupe neben dem toten Schwein zu Boden. Der Regen verdünnt das Blut, das über seinen Rücken rinnt.
    Auf dem Balkon gibt der Mann mit den blauen Shorts drei weitere Schüsse aus seinem Revolver ab. Einer der Angreifer legt verblüfft die Hand auf den Bauch, macht zwei Schritte vorwärts und fällt mit dem Gesicht voran in eine Pfütze. Seine Gefährten starren entgeistert auf den Balkon. Ein zweiter Mann taucht neben dem Revolverschützen auf und richtet sein Jagdgewehr auf sie. Sie wirbeln herum, lassen die Waffen fallen und rennen davon, so schnell sie können, verfolgt von den Kugeln, die durch die Luft pfeifen und den Schlamm um sie herum

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