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H2O

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Titel: H2O Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patric Nottret
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ist völlig konzentriert. Hält fast die Luft an.
    Dann drückt er ab. Ein trockener Knall. Dort hinten umrahmt eine rote Wolke den Schädel der Alten, die in die hinterste Ecke der Hütte geschleudert wird.

35
 
 
 
    Sénéchal drang tiefer in den Wald vor. Der Geruch von Humus und Erde wurde immer durchdringender, die Luft war so schwül, dass ihm der Schweiß über die Stirn rann. Vor ihm öffnete sich ein Pfad. Er folgte ihm und stieß auf einen Roboter, ähnlich einem blassgrünen Staubsauger, montiert auf Gummiketten, der sich summend auf der Stelle drehte und einer rätselhaften Arbeit nachging. An einer seiner Extremitäten waren eine auf einer Achse montierte Kamera und seltsame Instrumente befestigt, von denen sich einige bewegten. Der Umweltinspektor blieb stehen und sah zu, wie er sich im Unterholz entfernte, wobei er sich wie ein Miniaturbulldozer mal nach vorne, mal nach hinten neigte, um ein Hindernis, etwa eine Wurzel, zu überwinden.
    Ein Stück weiter begegnete er einem anderen arbeitenden Roboter. Er ging an ihm vorbei und erreichte eine Lichtung. Als er den Kopf hob, sah er durch das Glas des von Aluminiumstützen getragenen Dachs hoch oben den Himmel. In der Mitte der Lichtung saßen mehrere Personen unter weißen Sonnenschirmen an Gartentischen. Der umsichtige Umweltinspektor verlangsamte den Schritt, um sie in Ruhe betrachten zu können.
    Er nahm wahr, dass die sechs Männer, die ihn erwarteten, weiße Hemden und schwarze Krawatten trugen, vor allem aber alle sehr alt waren und sich, zumindest in den Augen eines Europäers, sehr ähnlich sahen. Sie wirkten starr wie die Puppen in einem Wachsfigurenkabinett. Hinter der Gruppe sah er zwei Gärtner mit Latzhosen und Strohhüten, die ihm den Rücken zuwandten. Offenbar waren sie mit Gartenarbeit beschäftigt.
    Als Sénéchal nur noch wenige Meter von den Tischen entfernt war, erhoben sich die Greise mit den weißen Hemden und verbeugten sich ungelenk. Befangen folgte der Inspektor ihrem Beispiel. Die Alten verharrten reglos. Sie sahen ihn nicht direkt an, sondern schienen etwas vor seinen Füßen zu suchen. Ein großer Schmetterling flog behäbig vorbei. Irgendwo über ihren Köpfen raschelte das Blattwerk. Der Gärtner, der Sénéchal am nächsten war, drehte sich langsam zu ihm um.
    Dieser zuckte zusammen: Das eingefallene Gesicht des Mannes wirkte wie eine antike Maske. Die Augen waren tief eingesunken, die Haut erinnerte an gegerbtes Leder. Der Japaner musterte ihn kurz, dann entblößte er ein scharfkantiges, strahlendes Gebiss, wobei sich rund um seinen Mund Tausende von Fältchen bildeten. Rasch sagte er:
    »Herzlich willkommen, Monsieur Sénéchal. Ich bin Akira Takenushi.«
    Sein verhutzelter Körper versank geradezu in der nagelneuen Gärtnerlatzhose. Der Strohhut war über die Ohren gezogen, und um den Hals trug er ein eigenartiges Stethoskop. Zwischen den verchromten Bügeln war ein schmales weißes Kästchen befestigt, auf dem Sénéchal das Symbol der vierflügeligen Schraube erkannte.
    Nun wandte sich auch der andere Gärtner zu dem Inspektor um. Er war um die vierzig, und in seinen Augen lag ein harter Ausdruck. In der rechten Hand hielt er einen verchromten Sitzstock, die andere lag lässig auf seinem Schenkel. Sénéchal war sicher, dass er eine Waffe in der Tasche seiner Latzhose hatte. Er zögerte.
    »Ich freue mich sehr, endlich Ihre Bekanntschaft zu machen, Monsieur Takenushi.«
    »Wie wäre es mit einem kleinen Waldspaziergang, Monsieur Sénéchal? Können Sie sehr langsam gehen?«
    Der Umweltinspektor ließ seinen Blick durch das Gewächshaus schweifen.
    »Ich bin bestens mit dem langsamen Rhythmus des Landlebens vertraut.«
    Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin reichte der Bodyguard Takenushi den verchromten Sitzspazierstock, den dieser mit seiner kleinen, dürren Hand ergriff. Dann zog er aus der Brusttasche ein flaches metallenes Etui, dem er eine getönte Brille entnahm. Er reichte sie dem Greis, der sie mit unendlicher Vorsicht auf die Nase setzte. Jetzt sah er fast wie ein Schweißer aus.
    Der alte Japaner sagte wie zur Entschuldigung:
    »Das Licht in diesem Gewächshaus ist sehr grell. Ich muss meine Augen schützen.«
    Der Greis setzte sich in Bewegung, indem er seinen Stock vor sich in die Erde stieß und dann, vorgebeugt, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, mühsam einen Fuß vor den anderen schob. Er erinnerte an eine betagte Geisha, die mit winzigen Schritten durch die verbotenen Alleen eines

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