H2O
die Augen und gesteht dann leise, dass sie es nicht sehr gut beherrsche. Aber ihr Bruder, der spreche ausgezeichnet. Falls er es wünsche, könne sie ihn zu ihrem Bruder führen, es sei nicht weit von hier.
Edouardo schenkt ihr ein verführerisches Lächeln. Heute ist es ihm eine Lust, gefällig zu sein.
Edouardo folgt dem Mädchen durch ein Gewirr von Brettern, vorbei an hölzernen Pfahlhäusern, an grünen Innenhöfen und kleinen Einfriedungen, in denen schwarze Schweine mit ausladendem Hinterteil und kurzen Beinen ihren Bauch durch den Schlamm schleifen. Ihr Geruch vermischt sich mit dem unsichtbarer Küchen, aus denen das scharfe Aroma roter und grüner Peperoni dringt; auf einem niedrigen Tisch türmt sich ein ganzer Berg davon. Edouardos Blick wird magisch vom Hinterteil des Mädchens angezogen, das mit wiegendem Schritt, den Blumenkorb auf dem Kopf, vor ihm geht. Ihm ist heiß, er schwitzt. Verstohlen tupft er sich die Stirn mit einem Taschentuch ab.
Das Mädchen öffnet eine Tür, die auf einen kleinen Hof führt. Im Schatten eines Mangobaums hockt ein junger Mann. Er trägt einen Sarong, der Oberkörper ist nackt. Seine Muskeln rollen unter der Haut. Er raucht eine Eukalyptuszigarette und streichelt versonnen einen Kampfhahn, der den Kopf leicht zur Seite neigt, um den Neuankömmling besser zu sehen.
Das junge Mädchen sagt zu Edouardo:
»Das ist mein Bruder.«
Dann verschwindet sie. Edouardo ist untröstlich.
Der junge Mann mit dem Hahn lächelt ihm zu und blinzelt. Edouardo kauert sich neben ihm auf den Boden. Bei der Bewegung öffnet sich sein Jackett und gibt den Blick frei auf die Artillerie, die er bei sich trägt. Dem anderen vergeht das Lachen. Doch der schnauzbärtige Polizist redet beruhigend auf ihn ein, er nimmt seine Sonnenbrille ab, zieht Geldscheine aus der Tasche, behält sie in der Hand und stellt Fragen (ohne dabei den Kampfhahn mit den überlangen Krallen aus den Augen zu lassen, der sich den Schnabel an einem Stein wetzt). Dann nennt er mit eigenwilligem Akzent den Namen der Frau, Maryati Soekarno. Das Gesicht seines Gegenübers wirkt undurchdringlich, er zögert. Edouardo streckt ihm die Hand entgegen. Der andere greift langsam nach den Geldscheinen und wirft gleichzeitig einen Blick über die Schulter des Polizisten. Der dreht sich um, da er spürt, dass jemand hinter seinem Rücken steht. Eine alte Frau beobachtet sie. Sie kommt näher, hockt sich hin und fährt mit ihrer rauen Hand über Edouardos Gesicht. Dann schenkt sie ihm ein zahnloses Lächeln und geht, etwas vor sich hin murmelnd, davon.
Fragend blickt Edouardo auf den jungen Mann mit dem Hahn, der jetzt die Geldscheine fest in der Hand hält und kichert.
»Das war meine Großmutter. Sie glaubt, dass es Glück bringt, das Gesicht eines weißen Mannes mit langer Nase zu berühren ... Die Frau, die Sie suchen, Maryati Soekarno, ist nicht mehr hier. Sie wird auch nicht zurückkommen. Sie hatte Geld. Ihr Haus ist leer, und die Nachbarn haben ihre Tiere übernommen. Ihr Geld«, er saugt an einem Zahn, »ihr Geld hat sie auch von einem Weißen bekommen, dort unter den Bäumen, wo Sie Ihren Wagen geparkt haben.«
»Ach ja?«
Der Typ weiß schon, wo mein Auto steht?
»Sie glaubte, niemand hätte beobachtet, wie sie das Geld von dem langnasigen Weißen bekam. Aber ein Kind hat es gesehen. Es war nachts.«
»Aha. Sehr gut.«
Edouardo bringt gegenüber dem Bruder dieses Mädchens unendliche Geduld auf. Dabei verspürt er den dringenden Wunsch, ihm seine Knarre unter die Nase zu halten, um ihn zum Sprechen zu bringen ... ihm die Arme auf den Rücken zu drehen, unverzüglich, hier im Staub, und wenn der Hahn sich aufplustert ...
Der andere fährt unvermittelt fort:
»Ein Weißer, so groß wie ein Amerikaner. Und dick.«
Der Indonesier spreizt die Arme wie ein Amateurfischer, der seinen besten Fang beschreibt.
»So dick. Sie hat ihm Papiere gegeben.«
»Welche Farbe?«
»Rot. Ein großes Blatt rotes Papier.«
»Ein Aktenordner?«
Edouardos phlegmatischer Gesprächspartner wiegt mit abwesender Miene den Kopf. Dann entscheidet er sich.
»Ich weiß es nicht ... Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen ihr Haus. Aber es ist verschlossen.«
»Und der Schlüssel?«
Der andere betrachtet seinen Hahn. Edouardo zwirbelt seinen Schnauzbart zwischen Daumen und Zeigefinger. Hinter dem Jungen liegt ein kaputter Motorradreifen. Edouardo Magnifico, einst Marshai von Tombstone, sieht genau daneben im Staub einen rostigen
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