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H2O

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Titel: H2O Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patric Nottret
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aufspritzen lassen. Der Mann mit dem Jagdgewehr eilt wieder ins Haus zurück, während der Dorfvorsteher seinen Revolver nachlädt.
 
    Im selben Augenblick erwacht die alte Frau in der Hütte aus ihrer Erstarrung. Gerade will sie sich mit ihren steifen Gelenken erheben, als zu ihrer Linken eine Salve aus einer Automatikwaffe vorbeizischt. Der junge Dorfvorsteher stürzt über das Geländer, seine Arme rudern durch die Luft, und dann schlägt sein Körper mit einem dumpfen Geräusch auf dem aufgeweichten Boden auf.
    Bärtige Turbanträger, die Patronengürtel auf dem nackten Oberkörper, stürmen mit gezückten Waffen heran. Einer reißt eine Granate von seinem Gürtel, entsichert sie mit den Zähnen und wirft sie in die offene Tür des lang gestreckten Hauses. Die Explosion erinnert an einen gigantischen Donnerschlag, Palmblätter wirbeln vom Dach auf, und Stücke des Fußbodens krachen zwischen die Pfähle. Schreie dringen aus dem Inneren, dann taucht eine von Rauch umhüllte Frau in der Türöffnung auf. Ihre Kleider sind zerrissen, sie ist halb nackt und blutüberströmt. Eine Hand presst sie auf das verbrannte Gesicht und ihr Auge. Sie schreit wie ein Tier. Der Mann mit der Granate greift nach seiner Waffe, jagt ihr zwei Kugeln in die Brust und läuft zu seinen Gefährten. Der Schrei der Frau verwandelt sich in ein Gurgeln, sie schwankt mit ausgebreiteten Armen nach vorne, fällt auf die wacklige Brüstung und bleibt darauf hängen. Ein Krampf schüttelt ihre linke Hand, an der mehrere Finger fehlen.
    Jetzt schleichen die Bärtigen vorsichtig an den Häusern entlang ins Dorf. Sie laufen gebückt, richten sich dann und wann auf und feuern kurze Salven in die dünnen Wände über ihren Köpfen. Überall ertönen Schreie. Die alte Frau ist auf die Knie gesunken und betrachtet die Körper, die unten im Schlamm liegen. Sie weint.
 
    Im hinteren Teil des Pritschenwagens öffnet der Mann mit der Schirmmütze den seitlichen Teil der Plane und bindet sie in aller Seelenruhe fest. Er ist froh, dass der Regen aufgehört hat, so ist die Sicht erheblich besser. Er hört die Schüsse und erkennt durch den Nebel den Rauch, der vom Haus dort hinten aufsteigt. Die Jungs hätten mit dem Angriff warten sollen, bis Verstärkung eingetroffen ist. Aber das ist die Ungeduld der Jugend.
    Er lächelt, als er den Fahrer neben sich telefonieren hört.
    »Zwei junge Männer vom Dorfvorsteher getötet, Exzellenz. Fast noch Kinder. Ihre Gefährten haben sie gerächt. Ja ... Ich wollte Sie informieren ... ja ... Eine Schießerei ... Die Armee wird für Ordnung sorgen, nicht wahr? ... Ah, sehr gut! Ausgezeichnet, Exzellenz. ... Und hoffentlich die Terroristen aufstöbern, die sich in den Hügeln verbergen ... Perfekt ...«
    Der Mann mit der Schirmmütze wirft einen Blick auf seine Uhr. Bis zum Eintreffen der Armee bleibt ihm noch etwas Zeit, um sich zu amüsieren - mit diesen Separatisten, diesen Hunden, die die Terroristen unterstützen und ihnen Lebensmittel bringen. Und die zweifellos Waffen verstecken wie alle Bauern in dieser verfluchten Gegend.
    Wie zur Bestätigung hört er jetzt MG-Salven als Antwort auf die Sturmgewehre der Milizionäre, der Laskar Jihad, die das Dorf säubern. Dann verstummt das MG plötzlich.
    Das Gewehr in der Hand, streckt er sich auf der Ladefläche des Wagens aus, richtet das Zielfernrohr aus und führt es an sein Auge. Sein Finger legt sich auf den Abzug, die Zahlen gleiten in dem telemetrischen Visier vorbei. Langsam und bedächtig sucht er nach einem Ziel.
    Er sucht den Wald links vom Dorf ab. Eine kleine undeutliche Gestalt taucht in seinem Zielfernrohr auf. Der Kerl, der in den Dschungel flieht? Nein. Zu weit entfernt. Er nimmt schemenhafte Gestalten aufs Korn. Das Mädchen mit dem Kind auf dem Arm, das wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Gegend läuft und sich überall anstößt? Der Junge zwischen den Häusern? Zu spät.
    Die zaghaften Sonnenstrahlen, die sich in den Pfützen spiegeln, irritieren ihn. Enttäuscht verzieht er den Mund. Der Finger entfernt sich vom Abzug. Er könnte einen der Milizionäre treffen. Aber diese Jungs leisten saubere Arbeit.
    Er will schon fast aufgeben, als er endlich fündig wird. In der gut erhellten Hütte am Eingang des Dorfes. Die alte Frau, die dort kniet und die alle vergessen zu haben scheinen. Die alte Frau, die von Schluchzen geschüttelt wird.
    Hör auf herumzuzappeln, Alte.
    Langsam richtet er das Fadenkreuz des Zielfernrohrs auf ihre Stirn aus. Perfekt.
    Er

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