H2O
höchste Lebenserwartung. Der älteste Mensch dieser Erde ist eine Frau, die seit einhundertfünfzehn Jahren auf der Insel Kyushu lebt ... Da bleibt mir immer noch ein wenig Hoffnung, finden Sie nicht?«
Sénéchal reichte ihm das Stethoskop zurück. Der alte Japaner nahm es vorsichtig an sich und legte es mit unendlicher Langsamkeit um seinen Hals.
Der Umweltinspektor erkundigte sich:
»Sagen Sie, das alles muss Sie doch ein Vermögen kosten, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf. Kommt da nicht der kleine Spaziergang etwas teuer, Monsieur Takenushi?«
»Schauen Sie sich um, Monsieur Sénéchal. Was sehen Sie wirklich?«
Sénéchal blickte in die Runde, mehr um dem alten Mann eine Freude zu machen, als um wirklich zu beobachten, was ihn umgab.
»Bäume, Blätter, Blumen, Grünpflanzen ... Und einen Ihrer Leibwächter, der als Gärtner verkleidet ist. Ich glaube, eben hat sich sogar ein Schmetterling auf die Nase des Ärmsten gesetzt.«
Takenushi schüttelte den Kopf.
»Die Glücksgötter waren mir in meinem Leben oft hold, sie haben mir Gelegenheit gegeben, mein Vergnügen mit meinen Geschäften zu verbinden. Was Sie in Wirklichkeit sehen, ist eine Bank.«
36
Der in Tarnfarben gestrichene Militärhelikopter fliegt mit dröhnenden Rotoren den Wasserlauf hinauf. Die Ufer mit ihren Bäumen und Reisfeldern sausen zu beiden Seiten des Cockpits vorbei. Der Pilot neigt seine Maschine leicht zur Seite, um der scharfen Biegung des Flusses zu folgen, und scheucht dabei eine Schar von Reihern auf. Der Himmel schwankt, der Mann richtet den Hubschrauber wieder auf und steuert im Sturzflug auf ein einsames Boot zu, das er gerade entdeckt hat - ein dunkler Fleck auf dem gelbbraunen Wasser. Er grinst. Der Kopilot deutet auf die Dschunke und ruft etwas. Darin sitzen zwei Fischer mit flachen Strohhüten, die ihre Netze einholen. Der Helikopter fliegt so dicht über ihren Köpfen, dass der Wind seiner Propeller ihnen die Hüte wegbläst und nacheinander drei mit zappelnden Fischen gefüllte Bambuskörbe über Bord gehen. Die Fischer klammern sich an der Reling fest, brüllen Flüche und recken die Fäuste zu dem Hubschrauber, der jetzt in der Ferne verschwindet.
Der Pilot zieht seine Maschine wieder hinauf über die Baumwipfel und schreit seinem Kameraden mit schriller Stimme etwas zu, was im Cockpit Heiterkeit auslöst. Plötzlich knistert das Funkgerät, dann stößt eine hektische Stimme einen Wortschwall auf Indonesisch hervor. Das Lachen der beiden Männer verstummt. Der Pilot antwortet knapp und wendet sich dann an seinen Gefährten.
»Das war die Nationale Sicherheitsbehörde von Java. Wir sollen eine Gefangene abholen.«
Der Helikopter fliegt durch eine Schlucht, die Reisfelder weichen nach und nach grünem Buschwerk, das die steilen Hänge bedeckt. Am Grund schimmert ein Wasserlauf. In der Ferne senken sich die Wolken langsam auf die Bergspitzen herab, Nebelfetzen hängen in den Baumwipfeln.
Die Maschine verringert das Tempo und neigt sich zur Seite, um einen mit spärlicher Vegetation bewachsenen Felsblock zu umfliegen. Unter ihnen öffnet sich jetzt ein Tal, in dem sich das Gelb der verbrannten Wiesen, die braunen Tupfer der Sümpfe und das Grün der Reisfelder abwechseln. Die Gipfel der umliegenden Berge sind in Hitzedunst gehüllt. Die beiden Männer erspähen ein Dorf, von dem durch die wogenden Wedel der Kokospalmen Rauchwolken aufsteigen. Zwei lang gestreckte Pfahlbauten glimmen noch schwach. In einiger Entfernung der vom Feuer verschonten Häuser stehen kakifarbene Zelte. Entlang einer Zufahrtsstraße erblicken sie unter Tarnnetzen automatische Maschinengewehre hinter aufgestapelten Sandsäcken und schlammbespritzte Jeeps. Davor stehen Männer in Kampfanzügen, die die Augen mit den Händen beschirmen, um das Flugzeug am Himmel auszumachen.
Während der Pilot zur Landung ansetzt, verzieht der Kopilot angewidert das Gesicht, als er ein blutüberströmtes Schwein mit aufgedunsenem Bauch in einem Reisfeld entdeckt. Ganz in der Nähe sieht er eine alte Frau, die tot am Boden liegt.
Der Pilot und sein Kamerad machen sich auf den Weg zu der Frau, die sie abholen sollen, angeführt von einem nervösen Unteroffizier mit auffallend langen femininen Wimpern. Er ist mit einem Maschinengewehr bewaffnet, trägt einen Arm in einer Schlinge und stößt bei jedem Schritt einen Fluch aus. Gestern Abend, erklärt er, als er mit einem kleinen Trupp in den Bergen unterwegs war, hätten die Hundesöhne von
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