Habe ich dich schon mal geküsst?
Es kam ihm so natürlich vor, und doch wusste er, dass er normalerweise kein sonderlich zärtlicher Mann war.
Aber das Bedürfnis, ihr seine sanftere Seite zu zeigen, war erstaunlich groß.
„Es tut mir leid“, sagte er wahrheitsgemäß. Die Tatsache, dass er die Ursache für ihren Kummer war, missfiel ihm.
„Lass mich einfach einen Augenblick lang so tun, als ob“, flüsterte sie. „Sag einfach … gar nichts.“
Sanft legte er eine Hand auf ihre dunklen Locken und schwieg. Doch schon nach kurzer Zeit war ihm die Stille unangenehm, und er hatte das Gefühl, als müsste er sie füllen. Fragen stellen … irgendetwas.
Er schaute auf die weichen Locken, die auf seinem Oberkörper lagen, und spürte die kleine Rundung von Bryonys Bauch.
War das seine Realität? Und wenn ja, warum nahm er dann nicht schleunigst Reißaus?
Es war ja nicht so, dass er völlig bindungsscheu war. Okay, vielleicht ein wenig, aber das lag nicht daran, dass er in der Vergangenheit ein traumatisches Erlebnis gehabt hatte, das ihn misstrauisch allen Frauen gegenüber gemacht hatte. Er war auch kein Angsthase, der sich davor fürchtete, dass eine Frau ihn verletzen könnte.
Er hatte sich noch nie gebunden, weil … Na ja, er war sich nicht sicher. Vielleicht lag es daran, dass Männer in Beziehungen leicht die Kontrolle verloren. Sie konnten keine eigenständigen Entscheidungen mehr treffen, und Rafael war es gewohnt, innerhalb von Bruchteilen von Sekunden Entscheidungen zu treffen – ohne jemand anderen um Rat zu fragen.
Seine Arbeit nahm viel Zeit in Anspruch. Zeit, die er nicht hätte, wenn er jeden Abend zum Essen zu Hause sein müsste.
Es gefiel ihm, ohne Vorwarnung irgendwo hinfliegen zu können. Er freute sich auf Geschäftstermine – betrachtete sie als eine Herausforderung. Und auch wenn er nicht viel Freizeit hatte, genoss er die Auszeiten, die er sich nahm. Mit Ryan, Devon und Cam traf er sich mindestens einmal im Jahr, um ausgiebig Golf zu spielen, Unmengen von Alkohol zu trinken und sich anderen Freuden hinzugeben, die sich nur Männer leisten konnten, die nicht in einer festen Beziehung steckten.
Einfach gesagt, er hatte bisher noch nie eine Frau getroffen, für die er all das hätte aufgeben wollen. Auf jeden Fall konnte er sich nicht vorstellen, eine zu treffen und sein ganzes Leben innerhalb von vier Wochen derart umzukrempeln. Solch eine Entscheidung traf man allenfalls im Laufe von Jahren. Vielleicht auch nie.
Andererseits …
Als er auf die Frau blickte, die so vertrauensvoll in seinen Armen lag, berührte das etwas in ihm. Es weckte in ihm einen Wunsch, den er sich nie gestattet hatte, einen Wunsch, den er normalerweise erschreckend gefunden hätte.
Er wünschte sich, er könnte sich an all die Dinge erinnern, die Bryony ihm beschrieben hatte, denn plötzlich klang das alles sehr verlockend.
Und wenn ihm das nicht höllische Angst machte, dann wusste er nicht, was sonst.
7. KAPITEL
„Rafael! Rafael! Wach auf! Beeil dich!“
Erschrocken wachte Rafael auf und fuhr hoch. Bryony stand neben seinem Bett, vollständig angezogen, und hopste herum, als würde sie über glühende Kohlen laufen.
Hastig schwang er die Beine über die Bettkante und beugte sich vor. „Was ist los? Ist etwas mit dem Baby? Tut dir was weh?“
Sie runzelte kurz die Stirn und schüttelte den Kopf, bevor sie wie ein Honigkuchenpferd strahlte. Rafael rieb sich die Augen.
„Was brüllst du denn dann so herum?“ Er schaute auf den Wecker. „Du meine Güte, es ist noch entsetzlich früh!“
„Es schneit!“
Sie griff nach seiner Hand und begann zu ziehen. Die Bettdecke rutschte von seinen Hüften, und sowohl Bryony als auch er erstarrten. Sie senkten beide den Blick, und erst in dem Moment erinnerte Rafael sich, dass er nichts anhatte. Auf nicht gerade subtile Weise machte ein spezieller Körperteil auf sich aufmerksam.
Während er die Bettdecke schnell wieder über sich zog, machte Bryony einen Schritt zurück und zog ihren Pullover wie eine schützende Mauer fester um sich. Verflixt, er war doch nicht derjenige, der in ihr Zimmer gestürmt war!
„Entschuldige“, sagte sie. „Ich gehe einfach allein raus.“
Sie drehte sich um, und Rafael stolperte aus dem Bett, die Decke mit sich ziehend.
„Warte!“, befahl er. „Was hast du vor? Wo willst du hin?“
Ihre Augen begannen wieder zu funkeln, und ihre Aufregung war richtiggehend ansteckend. „Nach draußen natürlich! Es schneit!“
Er warf einen Blick zum Fenster,
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