7 Werwolfstories
Anthony Boucher Professor Wolf
Die Botschaft lautete: Sei nicht albern, Gloria.
Wolfe Wolf zerknüllte das Telegrammformular zu einem Ball und warf ihn hinaus durchs Fenster in den strahlenden Frühlingssonnenschein. In fließendem Mittelhochdeutsch gab er einige ausgewählte, höchst profane Bemerkungen von sich.
Emily hielt im Tippen des Budgets für die Institutsbibliothek inne. »Das habe ich nicht ganz verstanden, Professor Wolf. Mittelhochdeutsch ist nicht meine Stärke.«
»Reine Improvisation«, sagte Professor Wolf und ließ dem Telegramm eine Nummer der Fachzeitschrift für englische und germanische Sprachlehre folgen.
Emily stand auf. »Aber irgend etwas stimmt da nicht. Hat der Ausschuß Ihre Monographie über Hager abgelehnt?«
»Meine epochemachende Kontribution zur Förderung der Wissenschaft? O nein. So wichtig ist es wiederum nicht.«
»Aber Sie sind so aufgeregt.«
»Ganz die treusorgende Büro-Ehefrau!« zischte Wolf wütend. »Wie Sie es nur schaffen, schließlich hängt ja die ganze Abteilung an Ihnen. Verschwinden Sie!«
Emilys Gesicht drückte berechtigte Empörung aus, und plötzlich wirkte sie gar nicht mehr farblos. »Ich verbitte mir diesen Ton, Mr. Wolf! Ich will Ihnen nur helfen. Und es ist nicht die ganze Abteilung; es ist…«
Professor Wolf ergriff ein Tintenfaß, warf einen Blick in Richtung Telegramm und Zeitschrift und stellte das Tintenfaß wieder auf den Tisch. »Nein. Es gibt bessere Mittel und Wege, um der Verzweiflung zu frönen. Es ist leichter, seine Sorgen zu ertränken, als sie zu zerschmettern. – Sagen Sie Herbrecht, er soll meine Zwei-Uhr-Vorlesung übernehmen.«
»Wohin gehen Sie?«
»Stückweise in die Hölle. Wiedersehen!«
»Warten Sie. Vielleicht kann ich Ihnen helfen. Erinnern Sie sich, wie wütend der Dekan war, als Sie den Studenten Drinks servierten? Vielleicht kann ich …«
Wolf stand in der Türöffnung, einen Arm pathetisch ausgestreckt, und stieß mit dem merkwürdigen Zeigefinger, der genauso lang war wie der Mittelfinger, in Emilys Richtung.
»Madam, akademisch gesehen sind Sie unentbehrlich. Sie sind sozusagen die Seele der Abteilung. Aber im Augenblick kann sich die gesamte Abteilung von mir aus zur Hölle scheren, wo sie zweifellos weiterhin Ihrer wertvollen Dienste bedarf.«
»Aber verstehen Sie denn nicht …« Emilys Stimme zitterte. »Nein. Natürlich nicht. Sie sind ja bloß ein Mann – ach, nicht mal das. Sie sind bloß Professor Wolf. Sie sind Wauwau!«
Wolf war sichtlich erschüttert. »Was bin ich?«
»Wauwau. Jeder nennt Sie so, weil Sie Wolfe Wolf heißen. Die Studenten – alle! Aber Sie würden so etwas natürlich nie merken. Wauwau – das sind Sie!«
»Dies«, sagte Wolfe Wolf, »macht das Maß meiner Leiden voll. Mein Herz bricht, meine Welt liegt in Scherben, und ich muß fast zwei Kilometer bis zur nächsten Bar laufen; doch nicht genug damit, ich werde auch noch Wauwau genannt. Leben Sie wohl!«
Er wandte sich um und prallte gegen eine riesige weiche Masse, die einen Laut von sich gab, der ebensogut ›Wau‹ heißen wie ein überraschtes Grunzen sein konnte.
Wolf trat einen Schritt zurück und ließ Professor Fearing samt Bauch und Kneifer eintreten. Der Besucher watschelte zum Schreibtisch, ließ sich in den Sessel plumpsen und atmete lange und schnaufend aus. »Mein lieber Junge«, keuchte er. »Welch jugendliches Ungestüm!«
»Entschuldige, Oscar.«
»Ja, ja, die Jugend …« Professor Fearing suchte nach einem Taschentuch, fand keins und polierte seinen Kneifer mit der zerknitterten Krawatte. »Was soll die Eile? Und warum weint Emily?«
»Tut sie das?«
»Da haben Sie es«, sagte Emily hoffnungslos und murmelte »Wauwau« in ihr feuchtes Taschentuch.
»Und weshalb fliegen
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