Habe ich dich schon mal geküsst?
sie daran glauben, dass die Beziehung zu ihr seine Prioritäten verändert hatte. Vielleicht war es Wunschdenken und naiv von ihr, aber das hielt sie nicht davon ab, darauf zu hoffen, dass er die Insel – und sie – wiederentdecken würde.
Sie fuhren zurück zu Bryonys Cottage, doch bevor sie hineingingen, meinte Bryony, dass sie gern noch ihrer Großmutter einen kurzen Besuch abstatten wollte.
„Ich komme mit“, sagte Rafael sofort. „Ihr zwei scheint euch sehr nahe zu stehen. Habe ich viel Zeit mit ihr verbracht?“
Bryony lächelte. „Ihr seid super miteinander ausgekommen. Du hast fast jeden Tag bei ihr vorbeigeschaut und sie mit Blumen und Leckereien verwöhnt.“
„Das klingt so, als wäre ich … nett gewesen“, meinte er, obwohl ihm allein die Vorstellung absurd vorkam.
Bryony, die gerade die Autotür hatte öffnen wollen, hielt inne und drehte sich zu Rafael um. „Du sagst das so, als wärest du nicht nett.“
Er zuckte mit den Schultern. „Mistkerl ist die landläufigere Bezeichnung für mich. Man hat mich schon vieles genannt. Rücksichtslos. Ehrgeizig. Schweinehund. Aber nett? Nein.“
„Na ja, zu meiner Großmutter warst du auf jeden Fall immer sehr nett, und dafür habe ich dich geliebt“, sagte sie. „Du warst auch zu mir nett. Vielleicht umgibst du dich sonst nicht mit den richtigen Leuten.“
Er lachte. „Mag sein. Ich nehme an, wir werden es sehen, oder?“
Bryonys Großmutter kam auf die Veranda und winkte. Bryony drückte Rafaels Hand. „Hör auf, dir Sorgen darüber zu machen, was du gewesen bist oder nicht gewesen bist. Niemand sagt, dass du immer der Gleiche bleiben musst. Vielleicht warst du bereit für eine Veränderung. Hier durftest du sein, wer immer du wolltest, denn niemand kannte dich. Du hast noch einmal neu anfangen können.“
Rafael hob ihre Hand und presste einen Kuss auf die Innenfläche. „Du bist eine ganz besondere Frau, Bryony.“
Sie lächelte und öffnete die Tür, bevor sie ihrer Großmutter zuwinkte. „Wir kommen!“
Großmutter Laura, die von fast allen nur Mamaw genannt wurde, strahlte und hielt ihnen die Fliegengittertür auf.
„Hallo, ihr beiden“, sagte sie fröhlich.
Sie umarmte erst Bryony und anschließend Rafael, der angesichts des herzlichen Empfangs ein wenig verblüfft war.
„Ich habe gerade einen Eistee gemacht. Geht doch schon mal auf die Terrasse, während ich Gläser hole. Es ist ein wunderschöner Tag, und das Wasser sieht herrlich aus.“
Bryony zog Rafael zu den Glastüren und ging mit ihm nach draußen auf die Terrasse, wo ihre Großmutter Töpfe mit den unterschiedlichsten Pflanzen stehen hatte.
„Es ist hübsch hier“, meinte Rafael. „So ruhig und friedlich. Es gibt nicht mehr viele Privatstrände wie diesen. Es muss herrlich sein, das alles für sich zu haben.“
Bryony machte es sich auf einem der Liegestühle gemütlich und hielt ihr Gesicht in die Sonne. „Das ist es“, stimmte sie ihm zu, die Augen geschlossen. „Die ganze Insel ist so. Deshalb haben wir ja auch etwas dagegen, dass hier groß gebaut wird. Sobald erst einmal der sogenannte Fortschritt Einzug hält, ist das wie eine Lawine. Innerhalb kürzester Zeit würde die Insel von Touristen überschwemmt sein. Wir wollen einfach nur in Ruhe gelassen werden. Viele der Leute, die hier wohnen, sind gerade deshalb hier auf die Insel gezogen, weil sie noch so ruhig und ursprünglich ist. Andere leben schon immer hier, und daran etwas zu ändern, scheint mir ziemlich unfair.“
„Ein Resort würde die Ursprünglichkeit der Insel nicht ruinieren, dafür würden die Touristen, die du so verachtest, aber die Wirtschaft ankurbeln.“
Sie lächelte geduldig, weil sie sich diesen perfekten Tag nicht verderben lassen wollte.
„Unsere Wirtschaft braucht keinen Aufschwung“, erklärte sie ruhig.
Ungläubig sah er sie an. „Jeder freut sich über finanziellen Zuwachs.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, die Sache ist die: Viele Leute, die sich hier niedergelassen haben, hatten hoch bezahlte Jobs. Sie sind nach Moon Island gekommen, um dem Stress zu entfliehen. Sie besitzen mehr Geld, als sie jemals ausgeben können.“
„Und der Rest? Diejenigen, die schon ihr ganzes Leben lang hier leben?“
„Die sind glücklich. Wir haben Fischer, die schon in der dritten oder vierten Generation nach Shrimps fischen. Wir haben einheimische Ladenbesitzer, Angestellte in Restaurants oder anderen Läden. Im Grunde erfüllt jeder Job hier auf der Insel ein
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