HABE MUTTER, BRAUCHE VATER - Mallery, S: HABE MUTTER, BRAUCHE VATER
Lächeln wirkte nun ganz und gar nicht mehr harmlos. „Du siehst gut aus, Elissa. Lange nicht mehr gesehen …“
Seit mehr als zwei Jahren nicht, dachte sie. Damals hatte er ihr gedroht und war erst wieder verschwunden, als sie ihm ihre kümmerlichen Ersparnisse ausgehändigt hatte.
„Ich war in dem Restaurant, in dem du arbeitest, und irgendein Typ dort hat mir gesagt, dass ich dich hier finde.“ Er runzelte die Stirn. „Läufst du etwa auch in diesen Arbeitsschürzen rum? Dieses Huhn, na ja … Aber der Laden scheint ja ganz gut zu laufen, er war ziemlich voll. Da gibt’s sicher ordentlich Trinkgeld.“
Oh, Frank, wenn du nur nicht immer so hilfsbereit wärst.
„Hast du gesagt, du wärst mein Bruder?“, fragte sie.
„Dein Cousin. Wir sehen uns ja nicht so wahnsinnig ähnlich.“ Er nahm ein Paar Ohrringe in die Hand. „Nett, was du hier verkaufst. Ich wusste gar nicht, dass du so viel Talent hast. Aber du warst schon immer gut darin, mir Dinge zu verheimlichen.“
Sie entriss ihm den Schmuck. „Ich kann dir sagen, woran das liegt, Neil. Nämlich daran, dass sich damals jedes Gespräch ausschließlich um dich drehte. Für etwas anderes hast du dich nicht interessiert.“
Er lächelte. „Du bist immer noch so temperamentvoll wie früher, Elissa. Das gefällt mir.“
Sie konnte es nicht fassen, dass sie jemals geglaubt hatte, in ihn verliebt zu sein. Mitch war schon schlimm genug gewesen – kindisch, egoistisch und untreu. Aber im Vergleich zu Neil war er geradezu ein Traummann.
Neil beugte sich über den Ausstellungstisch und griff nach ihrer Schulter. Sie wich zurück.
„Ich habe dich vermisst, Süße“, sagte er. „Wir hatten eine tolle Zeit.“
„Einen Dreck hatten wir“, sagte sie kühl. „Du warst doch nur mit mir zusammen, weil ich einen Job hatte und du dadurch mehr Geld, um dich zuzudröhnen.“
„Du hast immer gut für mich gesorgt“, sagte er. „Und es wäre auch mal wieder an der Zeit, dass du dich ein bisschen um mich kümmerst. Deshalb bin ich hergekommen, Elissa. Um meine kleine Finanzspritze abzuholen. Aber jetzt, da ich sehe, wie erfolgreich du bist, wird es wohl mehr als nur eine kleine Spritze werden, nicht wahr?“
Warum ausgerechnet jetzt? Warum heute? Das Einzige, was sie davor bewahrte, nicht vor Angst durchzudrehen, war die Tatsache, dass sie Zoe in sicherer Entfernung wusste.
Er sah sich suchend um, als könnte er ihre Gedanken lesen. „Wo ist das Kind eigentlich?“
Am liebsten hätte sie ihn angebrüllt, dass er keinerlei Recht auf Kontakt mit ihrer Tochter hatte. Ihm war Zoe völlig gleichgültig. Sie würde ihre gesamten Tageseinnahmen verwetten, dass er sich nicht einmal erinnern konnte, ob Zoe ein Junge oder ein Mädchen war.
„Sie ist bei einer Geburtstagsparty.“
„Zu schade. Ich hätte sie gern gesehen.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, warum du mich so hartnäckig von ihr fernhältst. Sie ist genauso mein Kind wie deins.“
„Sie ist nicht dein Kind. Dir bedeutet sie doch rein gar nichts. Du verwendest sie nur als Druckmittel.“
„Da hast du recht. Du hättest dafür sorgen müssen, dass mir die Vaterschaft aberkannt wird. Komisch, dass du es nicht gemacht hast – wo du doch sonst immer so penibel bist. Vielleicht wolltest du ja gar nicht, dass ich aus deinem Leben verschwinde?“
Die Frage klang aufrichtig. So als glaube er allen Ernstes, dass sie ihn vermisste. Als würde sie nicht jede einzelne Sekunde mit ihm bereuen.
Sie wollte ihn anschreien und ihm sagen, dass er nichts als ein Junkie und ein Loser war. Dass man ihn, wenn es nach ihr ginge, gern auf eine einsame Insel verfrachten könnte, von der er nie mehr wegkäme. Und dass der einzige Grund, warum sie ihn nicht gezwungen hatte, offiziell auf die Vaterschaft zu verzichten, der gewesen war, dass sie sich damals keinen Rechtsanwalt hatte leisten können.
„Verschwinde“, sagte sie. „Verschwinde einfach.“
„Das werde ich, Elissa. Aber vorher musst du mir was geben.“
Geld. Es ging ihm immer nur um Geld.
Gott sei Dank hatte sie die Einnahmen von gestern mit nach Hause genommen. Es war dennoch ein schreckliches Gefühl, ihm den Inhalt ihrer kleinen Kasse aushändigen zu müssen – wissend, wie viel darin war.
Sie griff nach der kleinen Metallkiste und öffnete sie. Ehe sie deren Inhalt verbergen konnte, entriss er sie ihr und schnappte sich das dicke Bündel Geldscheine.
„Was seh ich denn da?“, sagte er und nahm alle Zehn- und
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