Haben oder Nichthaben
breiten großen alten Bett und konnte weder lesen noch schlafen.
Seine Frau hatte sich vor zehn Jahren von ihm scheiden lassen, nachdem sie zwanzig Jahre lang den Schein gewahrt hatten, und er hatte sie weder je vermißt noch hatte er sie je geliebt. Er hatte mit ihrem Geld angefangen, und sie hatte ihm zwei männliche Kinder geboren, die beide, wie ihre Mutter, Dummköpfe waren. Er hatte sie gut behandelt, bis er so viel verdient hatte, daß er doppelt so viel besaß wie ihr ursprüngliches Kapital, und dann konnte er es sich leisten, sie zu vernachlässigen. Nachdem er erst einmal so viel Geld besaß, hatte er sich niemals über ihre Migränen, ihre Beschwerden oder ihre Pläne geärgert. Er hatte sie ignoriert.
Die Natur hatte ihn hervorragend für eine spekulative Karriere ausgestattet, denn er besaß eine außergewöhnliche Sexualpotenz, die ihm das Vertrauen gab, was aufs Spiel zu setzen, gesunden Menschenverstand, einen hervorragenden mathematischen Kopf, eine immer wache, aber in Schranken gehaltene Skepsis, eine Skepsis, die so empfindlich auf bevorstehende Katastrophen reagierte wie ein exakt funktionierendes Aneroidbarometer auf atmosphärischen Druck und eine Art sechsten Sinn für Wert und Zeit, der ihn davon abhielt, höchste oder niedrigste Kurse erzielen zu wollen. Dies alles, vereint mit einem Mangel an Ethik, einer Fähigkeit, Leute für sich zu gewinnen, ohne ihnen je seinerseits Freundschaft oder Vertrauen entgegenzubringen, und sie gleichzeitig warm und herzlich von seiner Freundschaft zu überzeugen, nicht einer uneigennützigen Freundschaft, sondern einer an ihrem Erfolg so interessierten Freundschaft, daß sie automatisch dadurch seine Komplicen wurden, und die Unfähigkeit, Reue oder Mitleid zu empfinden, hatten ihn dahin gebracht, wo er jetzt war. Wo er jetzt war, das heißt, wo er in seinem gestreiften, seidenen Pyjama, der seine eingefallene Altmännerbrust, seinen aufgedunsenen kleinen Bauch, seine jetzt nutzlosen und unverhältnismäßig großen Geschlechtsteile, die einst sein Stolz gewesen waren, und seine kleinen, wabbeligen Beine bedeckte, auf seinem Bett lag und nicht schlafen konnte, weil er endlich Reue verspürte.
Seine Reue bestand darin, daß er dachte, wenn ich nur vor fünf Jahren nicht ganz so gerissen gewesen wäre. Damals hätte ich die Steuern ohne Jonglieren zahlen können, und wenn ich das nur getan hätte, wäre jetzt alles in Ordnung. Da lag er also und dachte daran und schlief schließlich ein; aber weil die Reue einmal eine Ritze gefunden hatte und hineinzusickern begann, wußte er nicht, daß er schlief, denn sein Verstand arbeitete weiter, so wie er’s im Wachen getan hatte. Er würde keine Ruhe finden, und in seinem Alter würde es nicht sehr lange dauern, bis ihn das erledigen würde.
Er pflegte zu sagen, daß sich nur ein Trottel Sorgen machte, und er hielt sich auch jetzt die Sorgen fern, bis zu dem Moment, wo er schlafen wollte. Er konnte sie sich vielleicht sogar fernhalten, bis er einschlief, aber dann würden sie eindringen, und da er so alt war, hatten sie eine leichte Aufgabe.
Er brauchte sich keine Sorgen darüber zu machen, was er anderen Menschen zugefügt hatte, noch was ihnen seinetwegen passiert war, noch wie sie geendet hatten; wer aus seinen Häusern am Seeufer ausgezogen war, um in Austin Zimmer zu vermieten, wessen ballfähige Töchter jetzt Zahnarztassistentinnen waren, falls sie überhaupt Arbeit fanden, wer nach seiner letzten Preistreiberei mit 63 Jahren als Nachtwächter endete, wer sich eines Morgens früh vor dem Frühstück erschoß, und welches seiner Kinder ihn gefunden hatte, und wie die Bescherung ausgesehen hatte; wer jetzt von Berwyn mit der Hochbahn zur Arbeit fuhr, falls er Arbeit hatte, und zuerst versuchte, Obligationen zu verkaufen, dann Automobile, dann Novitäten und Spezialartikel für den Hausbedarf (wir wollen keine Hausierer, machen Sie, daß Sie fortkommen, und die Tür knallte ihm ins Gesicht), bis er den Sturz, den sein Vater aus dem 42. Stockwerk machte, ohne Flügelschlagen, nicht etwa, wie wenn ein Adler fällt, abwandelte in einen Schritt vorwärts auf das dritte Gleis vor den Aurora-Elgin-Zug, die Manteltasche voll unverkäuflicher Kombinationsschaumschläger und Fruchtsaftpressen. Lassen Sie es mich bitte vorführen, Madam! Sie befestigen es so, schrauben es fest. Jetzt geben Sie bitte acht. Nein, ich will keinen. Versuchen Sie ihn doch mal! Ich will keinen. Gehen Sie!
Und so ging er den Weg mit den
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