Habgier: Roman (German Edition)
– kochte sie für dreizehn Personen.
Sie glaubte kaum, dass Cindy und Koby so früh dran waren. Vielleicht kam schon eine von Hannahs Freundinnen. Sie trocknete sich schnell die Hände an der Schürze ab, zog die Tür auf und starrte in die Gesichter zweier Fremder, die um die siebzig sein mussten.
Der Mann war breitschultrig und trug einen schlecht sitzenden Anzug mit Krawatte; die Frau hatte ein grünes Kleid an, dazu schwarze Gesundheitsschuhe, und die grauen Haare zu einem Dutt frisiert. Sie besaßen den dunklen Teint der Lateinamerikaner, dunkle Augen, dunkle Haare und zerknitterte Haut, die stark von der Sonne malträtiert worden war. Um den Arm der Frau hing eine geprägte, altmodische Lackledertasche, und in den Händen hielt sie eine Platte mit frischen und getrockneten Früchten. Sie sahen aus, als kämen sie gerade aus der Kirche zurück – vor fünfzig Jahren.
»Hallo«, sagte Rina lächelnd, »kann ich Ihnen helfen?«
»Wir sind auf der Suche nach Lieutenant Decker«, meinte die Frau.
Rina lächelte weiter, während sie überlegte, was sie jetzt tun sollte. Peter ermahnte sie immer, vorsichtig zu sein, weil oft Dinge dann passierten, wenn man überhaupt nicht damit rechnete. Woher sollte Rina wissen, ob die beiden nicht steckbrieflich gesuchte Topterroristen waren?
Terroristen mit einer Platte voller Früchte?
»Ich nehme an, er ist im Büro«, sagte Rina, »möchten Sie die Adresse des Reviers?«
»Wir haben dort angerufen«, nörgelte der Mann, »und die sagten, er wäre schon weg.«
»Oh.« Wieder lächelte Rina, ließ sie aber immer noch nicht ins Haus. »Dann ist er wohl auf dem Heimweg. Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
Die Augen der Frau füllten sich mit Tränen. »Ihr Mann war sehr nett zu uns.«
»Und wer sind Sie?«
»Sandra und Peter Devargas.«
Rina wusste augenblicklich Bescheid. »Bitte, kommen Sie doch herein.«
»Wir können draußen warten«, grummelte Peter.
»Sie sehen sehr beschäftigt aus«, fügte Sandra hinzu.
»Ich hab immer alle Hände voll zu tun«, meinte Rina, »kommen Sie ruhig herein.« Sie machte einen Schritt von der Türschwelle zur Seite. »Ich bestehe darauf.«
Widerstrebend betrat das Ehepaar das Wohnzimmer. Die Frau hielt die Früchteplatte hoch. »Das ist für Sie und Ihren Mann, eine Kleinigkeit.«
»Vielen, vielen Dank.« Rina nahm der Frau die Platte ab. »Setzen Sie sich doch. Möchten Sie etwas trinken? Wasser? Eistee?«
»Hier riecht’s gut«, sagte Devargas, »aber vermutlich riecht alles gut nach vierundzwanzig Stunden mit nur Fast Food.« Seine Frau versetzte ihm einen Stoß in die Rippen. »Was denn?«, meckerte er.
Rina grinste. »Danke für das Kompliment. Ich bereite gerade unser Mahl für den Schabbes vor, den wir am Freitagabend beginnen. Es gibt reichlich zu essen, warum bleiben Sie nicht einfach?«
»Das klingt...«, sagte Devargas und erntete dafür noch einen Stoß. »Was denn? Die Frau hat uns eingeladen!«
»Das ist sehr nett, aber danke«, wandte sich Sandra an Rina.
Rina lachte leise auf. »Wirklich, es macht überhaupt keine Umstände.«
Devargas zuckte mit den Achseln, aber Sandra zögerte. Und da Rina ihr ganzes Leben lang mit älteren Frauen aus anderen Kulturen zu tun gehabt hatte, fiel bei ihr der Groschen. »Bitte, bleiben Sie. Ich habe viele Gäste und könnte Unterstützung gebrauchen.«
Sandras Fingerknöchel waren ganz weiß, so fest hielt sie ihre Tasche umklammert. »Na ja, wenn Sie Hilfe brauchen, unterstütze ich Sie gerne.«
»Wunderbar, Sie können den Salat vorbereiten. Lassen Sie Ihren Mantel und die Handtasche einfach auf der Couch liegen. Peter wird sich darum kümmern.«
»Wo soll ich das aufhängen?«, fragte Devargas.
»Ach, Entschuldigung, ich meinte Lieutenant Decker. Er wird sich darum kümmern, sobald er nach Hause kommt, was nicht mehr lange dauern kann. Mr. Devargas, ruhen Sie sich einfach aus, solange das noch geht. In der nächsten halben Stunde werden hier jede Menge Leute eintrudeln. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, den Türöffner zu spielen, würde mir das sehr helfen.«
»Natürlich macht ihm das nichts aus.« Sandra folgte Rina in die Küche und entspannte sich, sobald sie den warmen, dampfenden Raum betreten hatte. »Sagen Sie mir einfach, wo ich hin soll.«
Rina reichte ihr das Salatgemüse, eine große Schüssel und ein Messer. Sandra wusch sich gründlich die Hände und begann damit, das Gemüse zu schneiden. Nach ein paar Minuten, die sie schweigend vor sich
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