Hackenholt - 02 - Das letzte Laecheln
interpretieren und fuhr fort: »Frau Dorn verstand sich von Anfang an sehr schlecht mit Herrn Naumann. Wäre es nach ihm gegangen, hätte ein anderer Kollege die Filialleitung übernommen. Ich glaube, er hatte sogar schon jemanden aus Fürth im Auge. Aber die Geschäftsführung entschied sich für Frau Dorn. Und die Umsatzzahlen, die sie vorlegte, rechtfertigten das Vertrauen, das die Chefs in sie setzten, was Herrn Naumann natürlich ärgerte. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn Frau Dorn einen Fehler nach dem anderen gemacht hätte. Wann immer er kam, fand er etwas auszusetzen. Tauchte auch nur sein Name im Kalender auf, war Frau Dorn tagelang gereizt.«
Das war das Stichwort für Hackenholt. Er klemmte sich den Telefonhörer zwischen Schulter und Ohr und holte die Plastiktüte mit Annika Dorns Firmenkalender aus seiner verschließbaren Schreibtischschublade. Rasch blätterte er zum betreffenden Freitag, doch Naumanns Name stand in der ganzen Woche nirgendwo vermerkt.
»War das letzte Treffen ein regulärer Besuch Ihres Gebietsleiters?«, fragte er nach.
»Nein. Ich glaube nicht. Zumindest habe ich erst am Freitagvormittag davon erfahren.«
»Kündigt er sich oft so kurzfristig an?«
»Im Gegenteil. Normalerweise plant er seine Besuche immer weit im Voraus.«
»Dann hat er Sie diesmal sozusagen überrascht?«
Hackenholt vernahm ein Seufzen. »Nicht besonders. Ich habe insgeheim schon mit seinem Auftauchen gerechnet. Es passt einfach zu ihm, Frau Dorn vor ihrem Urlaub noch einmal zu zeigen, wer hier das Sagen hat.«
Raab machte eine Pause, bevor er fortfuhr. »Aber letzten Freitag schien das Treffen nicht wie üblich zu laufen. Frau Link sagte mir, Herr Naumann habe wütend ausgesehen, als er ging. Ich selbst habe ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen, aber dafür bemerkt, wie heiter Frau Dorn war. Und das war ganz und gar uncharakteristisch.«
Nach dem Telefonat saß Hackenholt eine Zeit lang an seinem Schreibtisch und starrte aus dem Fenster auf den Innenhof des Polizeipräsidiums. Die wenigen, winterlich kahlen Bäume boten einen trostlosen Anblick. Er versuchte seine Gedanken zu ordnen und merkte, dass er nach wie vor zu wenig über das Opfer wusste. Immer wieder verlor er sich in Spekulationen. So suchte er schließlich auf seinem Schreibtisch nach dem Notizzettel, auf dem Judith Eschbachs Nummer stand. Als er ihn gefunden hatte und die Freundin der Toten anrief, schaltete sich sofort ein Anrufbeantworter ein. Hackenholt hinterließ eine kurze Nachricht, in der er Frau Eschbach bat, am folgenden Vormittag um zehn Uhr ins Präsidium zu kommen.
Dienstag
Am Faschingsdienstag kehrte das typisch trübe Februarwetter nach Nürnberg zurück und raubte den Menschen die Vorfreude auf den Frühling, der sie zwei Tage lang erlegen waren. Von Sophies Wohnung aus war nicht einmal mehr der Sinnwellturm auf der Burg zu sehen, so tief hingen die Wolken.
Da keine neuen Erkenntnisse vorlagen, fiel die Dienstbesprechung am Morgen eher kurz aus. Die hessischen Kollegen hatten nichts über Ludwig Kork herausgefunden, sodass er nach seinem Hotelaufenthalt noch immer spurlos verschwunden blieb. Und da kein eindeutiger Beweis vorlag, der den Journalisten mit der Tat in Verbindung brachte, fehlte ihnen auch jegliche Handhabe, weitere Fahndungsmaßnahmen einzuleiten. Auf Hackenholts ungeduldige Nachfrage hin entgegnete Christine Mur ziemlich schroff, er könne mit den Ergebnissen der DNA-Tests frühestens in ein oder zwei Tagen rechnen.
Bereits am vergangenen Nachmittag hatten Stellfeldt und Baumann begonnen, die ersten Juwelier- und Goldschmiedegeschäfte auf der Suche nach Hinweisen auf das ungewöhnliche Schmuckstück abzuklappern. Bislang jedoch ohne Erfolg. Da die Liste der Händler sehr umfangreich war, forderte Hackenholt nun zwei weitere Beamte der Sachfahndung zur Unterstützung an.
Nachdem jeder der anwesenden Kollegen kurz erläutert hatte, was er sich für den Tag vorgenommen hatte, war die Besprechung zu Ende, und Hackenholt hastete zurück in sein Büro.
Doch seine Eile war unnötig gewesen. Judith Eschbach verspätete sich um fast eine halbe Stunde.
»Tut mir schrecklich leid. Ich habe einfach keinen Parkplatz gefunden und musste in die Tiefgarage beim Wöhrl fahren.«
Hackenholt winkte ab, Parkplatznot war ein altbekanntes Problem rund um den Jakobsplatz. Auf dem Weg von der Pforte in sein Büro musterte er die Freundin der Toten verstohlen. Er schätzte sie auf Mitte dreißig. Eine kleine, etwas
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