Hackenholt - 02 - Das letzte Laecheln
Äpfel sowie ein paar belegte Brote ein und machte sich auf den Weg.
Die Bewegung an der frischen Luft und die ihn umgebende Stille vertrieben mit der Zeit sein Unwohlsein, sodass er endlich beginnen konnte, Ordnung in seine Gedanken zu bringen.
Am Samstag, der bereits Ewigkeiten zurückzuliegen schien, hatte es für ihn nur den Gedanken an Flucht gegeben. Flucht vor Annikas Mördern, von denen er befürchtete, sie seien auch hinter ihm her. Wenn sie wussten, dass Annika und er ihnen auf die Spur gekommen waren, mussten sie auch herausgefunden haben, welche konkrete Rolle er bei der Aufdeckung spielte. Niemand konnte glauben, die Filialleiterin hätte alles allein ausspioniert. Und sie war ermordet worden, damit sie ihr Wissen nicht publik machte. Die logische Folge: Er war als Nächster an der Reihe.
Lange wägte er ab, was er nun tun sollte. Wann immer er zu dem Schluss kam, die Sache wie ursprünglich geplant einfach auszusitzen, indem er sich auf Franz’ Bauernhof versteckt hielt, schob sich ihm die Erinnerung an das kurze, aber eindringliche Telefonat mit Susanne vor Augen. Der Anruf hatte alles verändert. Die Polizei suchte nach ihm und nicht nach dem Mörder! Gleichzeitig hielt er nun einen Knüller in Händen, der seiner journalistischen Karriere zum Durchbruch verhelfen sollte, und konnte ihn nicht nutzen. Zumindest so lange nicht, bis Annikas Mörder gefasst war.
Schweren Herzens fasste er den Entschluss, nach Nürnberg zurückzufahren. Den Täter konnte nur die Polizei überführen, und er, Ludwig Kork, würde dabei die entscheidenden Hinweise liefern. Freilich plante er, nicht alles zu verraten. Und auf gar keinen Fall wollte er seine mühsam gesammelten Beweise übergeben, die den Skandal belegten. Die Beamten würden schon ihre eigenen finden müssen. Aber zumindest konnte er sie in die richtige Richtung lenken.
Es wäre ein perfekter Deal, bei dem er als der klare Gewinner hervorgehen würde. Die Polizei schützte sein Leben, indem sie den Mörder verhaftete, aber die Anerkennung dafür kassierte er, und zusätzlich konnte er die Bombe in den Medien platzen lassen.
***
Naumann war ein untersetzter Endfünfziger, der auf den ersten Blick einen eher ungepflegten Eindruck machte, wie er so an der Präsidiumspforte wartete. Doch dann bemerkte Hackenholt, dass die Haare nicht fettig waren, wie er zuerst angenommen hatte, sondern lediglich zu viel Pomade abbekommen hatten. Wer benutzte denn heutzutage noch so ein Zeug? Außerdem mussten sie gefärbt sein: Kein graues Haar stach aus dem gleichmäßigen Dunkel hervor. Bei einem Mann in Naumanns Alter ein Ding der Unmöglichkeit. Der Anzug, der das gleiche Braun wie das Haar hatte, wies den altmodischen Schnitt der späten siebziger Jahre auf. Auch die Krawatte schien ein Überbleibsel längst vergangener Tage zu sein; sie war mindestens dreimal so breit wie heutzutage üblich.
In Hackenholts Büro angekommen ließ sich der Gebietsleiter unaufgefordert auf den bereitgestellten Stuhl fallen. Wünnenberg erhielt zur Begrüßung nur ein knappes Kopfnicken.
»Herr Naumann, wie Sie mir bereits am Telefon mitgeteilt haben, sind Sie auch für die Filiale in der Grolandstraße zuständig. Wann waren Sie zum letzten Mal dort?«, eröffnete Hackenholt das Gespräch.
»Ich habe mich am vorigen Freitag noch einmal mit Frau Dorn getroffen.« Naumann sprach mit heiserer Stimme. Er klang, als hätte er eine leichte Erkältung.
Der Ermittler tat überrascht. »Ach, wirklich? Das stand ja gar nicht in dem Terminkalender, den wir im Büro gefunden haben!«
»Nein, nein. Ich habe einen äußerst kurzfristigen Besuch gemacht. Frau Dorn wollte in den Urlaub fahren. Zuvor musste ich natürlich noch einmal nach dem Rechten sehen und sicherstellen, dass sie adäquate Vorkehrungen für die Zeit ihrer Abwesenheit getroffen hatte.«
»Fand dieses Gespräch in Frau Dorns Büro statt?«
»Selbstverständlich«, antwortete Naumann irritiert. »Hätten wir uns vielleicht im Lager unterhalten sollen?«
»Unter diesen Umständen müssen wir leider Ihre Fingerabdrücke nehmen. Wir brauchen Vergleichsspuren, um die gefundenen den einzelnen Mitarbeitern zuordnen zu können.«
Herr Naumann lief puterrot an. »Aber das ist doch völlig unnötig!«, protestierte er. »Ich sagte doch gerade, dass ich am Tag zuvor in der Filiale gewesen bin. Da können Sie wer weiß was von mir finden. Ich habe doch nichts verbrochen!«
»Und genau deswegen ist es für uns so wichtig, auch von Ihnen
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