Hackenholt 06 - Reichskleinodien
überlegte er, wie er das Verhalten des Ermittlers einschätzen sollte. Ihm war aufgefallen, dass er es vermied, ihn direkt anzusprechen. Das war während ihres Telefonats anders gewesen, da hatte er ihn gesiezt. Eigentlich konnte das nur eins bedeuten: Der Beamte wusste inzwischen, dass er in Hackenholt einen Kollegen vor sich hatte.
Nachdem sie vom Treppenhaus in einen Flur abgebogen waren, blieb Zögner vor der ersten Tür stehen und steckte den Kopf in den Raum. »Hast du endlich Kaffee gekocht, Kerstin?« Die gemurmelte Antwort drang nicht bis an Hackenholts Ohr. Zögners empörtes »Muss ich hier eigentlich alles selbst machen?« gab jedoch Auskunft darüber, dass dies offenbar nicht geschehen war.
Der Kriminaler wandte sich zu Hackenholt um und sagte: »Mein Zimmer ist das vorletzte links. Ich komm gleich nach, ich setz uns nur schnell noch einen Kaffee auf.«
Hackenholt grinste in sich hinein. Zögner und Wünnenberg gäben ein wunderbares Team ab. Langsam schlenderte er den Gang entlang, bis er vor besagtem Büro ankam. Auf dem Namensschild rechts neben der Tür stand: KHK Zögner, Stellv. Leiter.
Im Zimmer sah es nicht eben aufgeräumt aus. Neben zwei benutzten Kaffeetassen lagen auf dem Schreibtisch kreuz und quer mehrere Akten, lose Ausdrucke, eine aufgeschlagene Landkarte und ein Strafrechtskommentar. Ein Stuhl war mit einem großen Aktenkoffer belegt, ein zweiter mit weiteren Ermittlungsakten. An der Wand hing eine handgemalte Schützenscheibe: Walter Zögner war 1992 Schützenkönig gewesen. Am Fenster stand ein Kaktus. Daneben zwei gerahmte Familienfotos.
»Am Freitagnachmittag war noch alles aufgeräumt«, entschuldigte sich der Beamte. Mit einem Ruck zerrte er den offenbar schweren Aktenkoffer vom Stuhl, den er Hackenholt anbot, bevor er selbst Platz nahm. »Nun gut. Wie wollen wir es handhaben: Sollen wir beim Sie bleiben, oder wollen wir zum kollegialen Du übergehen?«
»Nachdem dir der Dauerdienst zwischenzeitlich gesteckt hat, dass wir beim selben Verein arbeiten, können wir genauso gut Du sagen.«
Zögner sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Sabrina hat nichts erwähnt. Ein Kollege aus Nürnberg hat es mir verraten. Er war richtiggehend bestürzt, als ich ihm erzählt habe, wer den Toten gefunden hat.«
Nun war es Hackenholt, dem seine Überraschung ins Gesicht geschrieben stand. »Was hat Nürnberg damit zu tun?«
»Ah. Das kannst du natürlich nicht wissen: Bei dem Toten handelt es sich um einen Vermisstenfall, den die dortige Mordkommission am Freitag bearbeitet hat.«
»Der verschwundene Volontär, der zu einer Grabungsstätte nach Südamerika wollte?«, fragte Hackenholt ungläubig.
Verwundert nickte Zögner. »Lassen dich deine Kollegen nicht einmal während deiner Kur in Ruhe?«
»Sie waren gestern zu Besuch, und das ist auch schon alles, was ich erfahren habe.«
»Felix Kurz war ein junger Archäologe. Er hat ein Volontariat im Nürnberger Staatsmuseum gemacht, wo er am Freitag, dem 14. Juni, also vor gut einer Woche, seinen letzten Tag hatte. Am Wochenende gab er eine Abschiedsparty, und ab Montag fing er an, seine Wohnung auszuräumen. Sachen, die er nicht mehr brauchte, hat er verschenkt oder weggeworfen, alles andere sollte bei seiner Tante in Wunstorf untergestellt werden, bevor er für ein Jahr in Südamerika arbeiten wollte.«
»Was ist mit seinen Eltern?«
»Die sind beide schon verstorben. Die Tante ist seine einzige nahe Verwandte.« Zögner räusperte sich, bevor er fortfuhr. »Am Mittwoch strich er mit Unterstützung eines Hilfsarbeiters die Wohnung. Am Donnerstagvormittag hat er sich einen Mietwagen geholt, ihn mit seinem restlichen Hab und Gut beladen, am Spätnachmittag seine Wohnung dem Vermieter übergeben und sich anschließend auf den Weg Richtung Norden gemacht.
Von unterwegs aus rief er seine Tante noch einmal an, während er in einem Fast-Food-Restaurant etwas aß. Danach verliert sich seine Spur. Nachdem er nicht wie ausgemacht in Wunstorf ankam und die Angehörige ihn telefonisch auch nicht mehr erreichen konnte, hat sie am Freitagmorgen die Polizei informiert. Die Beamten haben allerdings erst einmal nichts weiter unternommen, weil sie davon ausgegangen sind, dass sich der Junge irgendwo aufs Ohr gelegt hat.
Daraufhin hat die Tante herumtelefoniert, aber niemand konnte ihr etwas sagen. Als sie sich nicht mehr anders zu helfen wusste, rief sie den Leiter des Staatsmuseums an und schilderte ihm die Situation. Er hat dann seine
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