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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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selbst?«
    Ich knuffte den vorwitzigen Mundkoch gegen die ungestählte Brust.
    »Weitere oder größere Schnitzer hat jener unbekannte Setzer sich meines Wissens nicht geleistet. Solltet Ihr dennoch fündig werden, sendet Ihr mir nur ein Avis. Das Weitere wird sich dann finden, versteht Ihr?«
    Aber Hirtreiters Entgeisterung zeigte mir, daß er eben nicht verstand.
    »Master, ich verspreche, sollten mir künftighin Fehler in Euren Schriften auffällig werden, Euch diese im strengsten Vertrauen mitzuteilen. Mein Ehrenwort darauf als Königlich Bayerischer Beamter!«
    Ich beließ es dabei, Hirtreiters Ehrenwort entgegenzunehmen. Mit einem wohlmeinenden Lächeln ermunterte ich ihn zum Fortfahren, denn Winnetou stand nun schon geraume Zeit bewegungslos hinter ihm, und an seiner Miene konnte ich ablesen, wie schwer es ihm fiel, seine Mundwinkel noch länger im Zaume zu halten – der stets so gefaßte Häuptling war im Begriff, lauthals loszulachen!
    »Also, Master Shatterhand, komme ich mit Eurer Beschreibung Winnetous zum Ende: › – – – bis auf die Hüften herab, wo er um die schmale, elastische Taille eine buntschillernde Santillodecke als Shawl gewunden hatte, welcher Messer, Revolver und alle die Gegenstände enthielt, die der Westmann in oder an seinem Gürtel zu tragen pflegt. Auf seinem Rücken hing ein doppelläufiges Gewehr. Das war die weitberühmte Silberbüchse, deren Kugeln nie ihr Ziel verfehlten. Man sah nur sein Gewehr, denn sein Tomahawk, übrigens ein Meisterstück der Waffenschmiedekunst,
steckte unsichtbar in einer Scheide von Opossumfell, welche links an seiner Hüfte hing. Und doch wirkte seine Erscheinung so unbedingt kriegerisch, daß es wohl niemand eingefallen wäre, an ihm eine derjenigen Eigenschaften zu bezweifeln, welche er als oberster Kriegshäuptling sämtlicher Apachenstämme besaß – – – ‹«
    Und mit diesen ganz und gar wahren Worten vertröpfelte das berühmte Rezitat.
    Fast wollte ich um Hirtreiter besorgt sein, denn mit den letzten Worten seiner oder vielmehr meiner Worte hatte sich ein derart verzücktes, fast heiliges Leuchten um sein Gesicht gerahmt, wie wenn ein Hagestolz doch noch die Hand eines Weibes ergriff. Es war höchste Zeit, ihm die Überraschung seines Lebens zu bereiten. »Kompliment, Herr Hirtreiter! Wie ich Euch nun die ganze Zeit schwelgen und Winnetou loben hören habe, da erstand er mir so recht vor Augen. Derart plastisch habt Ihr ihn dargestellt, daß zu glauben war, er befände sich gerade hinter Euch und spähte förmlich über Eure Schultern. Habt doch die Güte und dreht Euch einmal um – – – «
    Ganz langsam, meiner Aufforderung folgend, drehte Hirtreiter den Kopf zur Seite. Dabei wich zunehmend jenes Leuchten in seinem erhitzten Gesichte einer erschrockenen Blässe. Denn da stand Winnetou, aus Fleisch und Blut!
    »Seht Ihr«, lachte ich. »Alles habt Ihr herbeizitiert, und nun ist alles da: der Jagdanzug aus Elkleder; die leichten Mokassins; das reiche, dichte, bläulich schwarze Haar; die wertvolle Friedenspfeife; der Medizinbeutel; die dreifache Kette von Krallen der Grizzlybären; kein Garnichts fehlt. Ja, seht Euch den Häuptling genau an. Er lebt, und Ihr findet ihn eben so, wie Ihr sagtet. Da ist auch der von Nscho-tschi gefertigte Lasso und die mit Silbernägeln beschlagene Büchse; selbst die buntschillernde Santillodecke fehlt nicht, nur deren drittes ›l‹. Herr Hirtreiter, vor Euch steht Winnetou, der Häuptling der Apachen!«
    Es ist der Mensch, sagt man, in geistiger Hinsicht dem Tiere
voraus; sogar der Affe, von dem wir, wie es ebenfalls heißt, in direkter Linie abstammen, kann mit dem Verstande eines Menschenkindes ab dessen zweitem, drittem Lebensjahr nicht mehr mithalten. Um so schmerzlicher wirkt es, wenn eines von uns Menschenwesen auf Grund einer Gemütserschütterung vorübergehend seiner Verstandeskräfte beraubt wird; mehr noch, wenn sich die uns so erhaben machende Geistesgegenwart vollständig aus dem eigenen Gesichte zurückzieht. Der Schmerz für den Betrachter eines solchen Gesichtes liegt eben auch darin, daß ein solches dann einen wahrhaft äffischen Ausdruck annimmt.
    In einer solchen Lage befand sich der brave Theobald Hirtreiter.
    Wie einem meiner Bücher entstiegen, erglänzte vor dem Königlich Bayerischen Mundkoch eine fürwahr malerische Gestalt: Winnetou! Sein plötzliches Erscheinen war zuviel für Hirtreiter. Dem armen Mann vereiste das Gesicht, seine Lippen schwollen, seine Augen

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