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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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zudem Eure Leser nie mit photographischen Abbildungen belästigt, stattdessen der Vorstellungskraft Raum gebt, war auch ich gezwungen, diese Stellen so oft zu lesen, bis ich sie auswendig konnte. Winnetou braucht gar nicht hier zu sein; mir ist er so gegenwärtig, daß ich ihn jederzeit beschreibe!«
    »Vorsicht, Herr Hirtreiter, daß ich Euch nicht beim Wort nehme.«
    »Da ist keine Vorsicht zu üben. Auf Grund Eurer Reiseberichte darf ich behaupten, daß mir der Häuptling bis in die letzte Einzelheit vertraut ist: seine Gestalt, sein Gesicht, seine Kleidung, Augen, Nase, Mund, Wangen, Stirne, Haar – – – «
    Ich ließ den Bayern weiterreden, in seiner Schwärmerei war er nicht aufzuhalten. Was hätte ich ihm auch entgegnen sollen, der ich, mehr als jeder andere, meinen Blutsbruder wirklich kannte.
Dennoch freute ich mich, daß Hirtreiter von sich behauptete, sich jedes meiner geschriebenen Worte über Winnetou einzuprägen. Stets bin ich der Auffassung gewesen, der Leser solle durch meine Texte nicht nur unterhalten werden, sondern mit ihrer Hilfe auch sein Wissen erweitern. Wenn also einer sich gar die Mühe macht, meine Zeilen auswendig zu lernen, so freue ich mich darüber wie jeder Dichter oder Romancier, der ein Jahrhundert und noch länger im Herzen der Menschen bleiben will.
    Hier kam noch ein anderes hinzu.
    Während Hirtreiter über Winnetou sprach, sah ich, wie dieser lautlos durch die angelehnte Tür geglitten kam. Mit warnend auf den Mund gelegtem Zeigefinger bedeutete er mir, über seine unmittelbare Gegenwart zu schweigen, und weil ich den Häuptling der deutschen Sprache mächtig wußte, ließ ich Hirtreiter einfach weitersprechen:
    » – – – und Ihr über den Häuptling ja auch schreibt: ›Er trug einen aus Elkleder gefertigten Jagdanzug von indianischem Schnitt, an den Füßen leichte Mokassins, welche mit Stachelschweinborsten und seltengeformten Nuggets geschmückt waren. Eine Kopfbedeckung gab es bei ihm nicht. Sein reiches, dichtes, bläulich schwarzes Haar war auf dem Kopf zu einem hohen, helmartigen Schopf geordnet und fiel von da aus, wenn er im Sattel saß, wie eine Mähne oder ein dichter Schleier fast bis auf den Rücken seines Pferdes herab. Keine Adlerfeder schmückte diese indianische Frisur. Er trug dieses Abzeichen der Häuptlinge nie, es war ihm ohnedies auf den ersten Blick anzusehen, daß er kein gewöhnlicher Krieger sei‹ – stimmt das alles bis hierhin, Master?«
    »Ihr sagt es. Ich habe es geschrieben, also muß es so sein.«
    Hirtreiter nahm mein Lächeln wohl als Aufforderung, sich noch mehr ins Zeug zu legen, jedenfalls deklamierte er über Winnetou:
    »›Wer auch nur einen einzigen Blick auf ihn richtete, der sah sofort, daß er es mit einem bedeutenden Manne zu tun hatte. Um den Hals trug er die wertvolle Friedenspfeife, den Medizinbeutel und eine dreifache Kette von Krallen der Grizzlybären, welche
er mit Lebensgefahr selbst erlegt hatte. Der Schnitt seines ernsten, männlich schönen Angesichtes, dessen Backenknochen kaum merklich vorstanden, war fast römisch zu nennen, und die Farbe seiner Haut war ein mattes Hellbraun, mit einem leisen Bronzehauch übergossen – – – ‹«
    »Lieber Herr Hirtreiter«, unterbrach ich ihn. »Ihr klingt wie ein Mann, der von seiner Geliebten schwärmt, wißt Ihr das?«
    »Genauso will ich klingen, Master Shatterhand! In welchem anderen Tone als in diesem dürfte man von Winnetou sprechen, er ist unbedingt – – – «
    »Bitte, es ist schon spät«, wandte ich ein. »Wollt Ihr nicht mit meiner Beschreibung fortfahren?«
    »Sehr wohl, Master. Wie ich Eure Worte über den Häuptling lese, mag es für mich ein Schwärmen sein, aber wie Ihr ihn beschreibt, ist es unbedingt mehr. Es ist Liebe, allertiefste Zuneigung. Überhaupt nähern wir uns jetzt meiner Lieblingspassage; noch in Generationen wird man sich der Huldigungen erinnern, die Ihr Winnetou da widerfahren laßt: › – – – einen Bart trug er nicht; in dieser Beziehung war er ganz Indianer. Darum war der sanfte, liebreich milde und doch so energische Schwung seiner Lippen stets zu sehen, dieser halbvollen, ich möchte sagen, küßlichen Lippen, welche der süßesten Schmeicheltöne ebenso wie der furchterweckendsten Donnerlaute, der erquickendsten Anerkennung gleichso wie der schneidendsten Ironie fähig waren. Seine Stimme besaß, wenn er freundlich sprach, ein unvergleichlich ansprechendes, anlockendes gutturales Timbre, das ich bei keinem anderen

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