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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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glotzten, sein Atem stockte – diese Wirkung Winnetous auf andere habe ich häufig beobachtet. Wo immer er sich zeigte, verstummte und verzwergte man augenblicklich. Dies war sein sagenhaftes Charisma, die Summe seiner unzähligen Eigenschaften. Hinzu kam, daß Hirtreiter von ihm mit einer solchen Leidenschaft gesprochen hatte, daß ihm dieser Überschwang nun doch ein wenig peinlich war. Wie ein Liebender bei sich die Schamesröte aufsteigen fühlte, wenn er voll Wonne den Namen der fern gewähnten Geliebten wiederholte, sie dann aber vor sich sah, so wußte mit einem Mal auch Hirtreiter nicht mehr ein noch aus.
    Aber Winnetou wußte, was zu tun war. Herzlich wie ein langjähriger Freund bot er Hirtreiter die Hand, die er bislang zum Gruße erhoben hatte. Er schüttelte diejenige Hirtreiters in der herzlichsten, umgänglichsten Weise. Er tat dies um so mehr, als er unser Gespräch von Anfang an verfolgt hatte und also auch wußte, daß wir Landsmänner waren und ich mir doch ein wenig Sorgen um jenen machte: Feinsinn und Takt, das waren weitere herausragende Eigenschaften meines Winnetou.
    Allmählich floß das Blut wieder in Hirtreiters Adern. Er löste
sich aus seiner Starre, fühlte und genoß die starke Hand des Häuptlings und hielt sich an ihr geradezu fest, in der Hoffnung, daß dieser Moment der Erfüllung seines schönsten Traumes nie vorübergehen möge. Ich weiß nicht, ob Winnetou je das Wort »delikat« vernommen hatte, daß aber das gedrungene, staunende Bleichgesicht vor ihm eine Art »Häuptling der Kochtöpfe« war, dies schien er zu spüren. Er nahm denselben beiseite, und leise, selbst ich konnte es nicht hören, flüsterte er ihm etwas zu. Mir blieb nur, aufmerksam das Gesicht Hirtreiters zu betrachten. Von seinen Lippen las ich die stumm nachgesprochenen Silben jener Mitteilung Winnetous: »To-na-ka-pah!«
    Prompt erblaßte und errötete Hirtreiter, und auch seine Äuglein quollen schon wieder, und seine Backen plusterten sich, und weil auch der hofbeamtete Mund sich auftat und immer weiter klaffte, vermeinte ich fast, in dessen Tiefe die bayerischen Alpen zu erblicken. Schließlich stammelte Hirtreiter, durchaus hörbar, zurück:
    »Jo-hann Rot-ten-hö-fer!«
    Wie mußte ich lachen: Selbst bei seiner Begegnung mit Winnetou war dem Koch der Name seines vergötterten Ausbilders wichtiger als der eigene!
    Für diese Gemütsäußerung traf mich ein strafender Blick.
    »Master! Ich bitte sehr, sich über den größten Könner am Königlich Bayerischen Hofe nicht zu erheitern. Ich bitte aber auch, hinfort Euch und nun auch Winnetou mit Euch und Ihr ansprechen zu dürfen, sich aber mir gegenüber auf das landläufige Sie zu beschränken. Mehr Achtung verdient mein Name noch nicht, welcher, wie Ihr wißt, erst durch ein großes Wildwestkochbuch gemacht sein kann. Wollt Ihr mir diese Bitte erfüllen?«
    »Ja, ich erfülle sie Ihnen«, sagte ich mit heiligem Notarsernst. »Aber was wird aus Ihren anderen Plänen?«
    »Ich verwirkliche sie, Master! Nun ich Euch gesehen und mir von Winnetou etwas zuflüstern lassen durfte, kann mir nichts mehr geschehen. Auf der Stelle verabschiede ich mich von Herrn
Pfäffle und Mister Washburn. Dann lege ich mich aufs Ohr, obwohl ich kaum Schlaf finden werde. Im Morgengrauen ziehen wir los, die Liesl, die Pritsche, mein Geschirr und ich!«
    Ich erkannte, daß Hirtreiter nichts umstimmen konnte, also schwieg ich und reichte dem wackeren Kerlchen nur meine Hand. Von ihm fiel ein letzter bewundernder Blick auf mich, ein allerletzter auf Winnetou – wie im Traume wandelte Hirtreiter. Rückwärts bewegte er sich von uns fort; diese Manier hatte ich schon einmal bei ihm gesehen. Ohne Fehltritt erreichte er aber die Tür zur Gaststube, faßte mit gleichfalls geübter Hand hinter sich, nach der Klinke, und drückte diese. Im nächsten Moment war er verschwunden.
    Aber dann!
    Ein ganz und gar weißblauer Juchzer schallte durch das ruhig gewordene Boarding House, danach ein Freudenschrei, dessen nachfolgende Worte keiner vergaß, der ihn hörte:
    »Sakra-, Himmi-, Pfundsschlawutzi, bin i a Bayer, oder bin i a Preiß!«

    Vielleicht wird einmal erzählt werden, daß nach diesen Ereignissen das folgende geschah: Theobald Hirtreiter bollerte anderntags mit seiner Pritsche und seinem Königsgeschirr hinaus in die Wildnis und nie zurück; Hayes wurde von mir und Winnetou verfolgt und in einem blutigen Kampfe mit den Schoschonen besiegt; infolgedessen gelangte Washburn an sein Ziel,

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