Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
wollte ich zunächst nach jenen beiden Reisenden forschen, die Hayes und Kilmer in jenem aufgegebenen Fort in einen Hinterhalt zu locken beabsichtigten. Winnetou davon im einzelnen
zu berichten war nicht erforderlich; wie keinen anderen Menschen kannte er mich und wußte, daß ich für jede meiner Handlungen gute Gründe hatte, genau wie er. Wir pflegten uns aufeinander zu verlassen und einander zu vertrauen, wie nur Blutsbrüder es taten.
Durch die Ereignisse dieses Tages änderten sich auch anderer Leute Pläne.
Zur Stunde wußte Mister Washburn noch nichts von der Plünderung seiner Vorräte, was Winnetous Augen mit angesehen hatten. Erfuhr er es, würde er dennoch der Diebe kaum habhaft werden, aber mindestens ein weiterer Tag würde vergehen, bis er sich neu ausgerüstet hätte. Also war getrennt zu reisen und sich an einem bestimmten Punkte unserer jeweiligen Routen zu vereinigen; erst ab diesem Punkte würde man den Rest des Weges zum Yellowstone gemeinsam zurücklegen.
Überhaupt hatte bezüglich der Expedition nun Old Shatterhand in seine Rechte zu treten. Das sollte in dieser Nacht nicht mehr geschehen, denn nur noch kurz ließ ich mich in der Gaststube blicken.
Dort war die Enttäuschung der von dem Festmahle und dem Wettkampf ermüdeten Washburn-Leute groß. Old Shatterhand erwies sich als ungesellig, lehnte sogar ein »letztes« Bier ab. Ich dankte für die Ehre, bat aber, sich anderntags in Ruhe zu besprechen. Schnell genug entbehrte man meiner, als nun doch Kunde von dem Einbruch in das Vorratslager eintraf:
»Indianer!«
Im Nu fegte alles davon, so daß ich mit Pfäffle allein zurückblieb. Doch auch ihm eröffnete ich Winnetous und meine Beobachtungen nicht, eine gewisse Eingebung hieß mich schweigen. Der Wirt aber war köstlich. Gleich einer Skulptur in einem Museum begutachtete er mich, der sich als Karl Hohenthal eingeführt hatte und nun als Old Shatterhand entpuppte. Gleich einem Manne, der noch nie in den heiligen Hallen eines Museums gewandelt, wirkte Pfäffle auf die liebenswürdigste Weise befangen.
Ihm, dem sonst so Gesprächigen, fiel es sichtlich schwer, einen Anfang zu finden. Mich jedoch verlangte es nach Ruhe und Schlaf, also sagte ich, um die Sache abzukürzen:
»Herr Pfäffle, Sie sehen mich so eigentümlich an. Fehlt Ihnen etwas?«
»Fählen?« kam es schwäbisch zurück. »Des fraget Sie? D’r Winnätu fählt! Sähen möcht ich den Kerle, sofort!«
Ich lachte – der Gastronom hatte den einzig richtigen Schluß gezogen: Wo Old Shatterhand war, konnte Winnetou nicht weit sein. »Wenn Sie mir versprechen, es nicht weiterzusagen, vertraue ich Ihnen ein Geheimnis an: der Kerle kommt nicht mehr, er war schon da! Hier nebenan, in Ihrer Küche, da befand sich eben noch Winnetou, gemeinsam mit mir und Ihrem vorzüglichen Koch, der aber wohl schon seinen Abschied genommen hat. Mir tut das leid, denn so sauber und geschmackvoll es bei Ihnen zugeht, der Mann ist Besseres gewohnt.«
»Moinet Sie jetzt des Köchle oder den Indschmän?« kräuselte sich Pfäffles Stirn.
»Indschmän? Sagen Sie einfach Apache, da steckt das ›sch‹ schon drin. Nein, ich meine Herrn Hirtreiter. Daß Sie ihn auszanken, nur weil er so fleißig für Sie arbeitet und auch noch dafür bezahlt, das will mir nicht in den Kopf.«
Zum Dank für meine Offenheit wurde mir eine rechte Tirade zuteil: der nimmermüde Königsbedienstete, dieser »Zornigl«! Er habe sich herausgenommen, für einen weit entfernten König, überdies keinen schwäbischen, ein Festmahl zu bereiten, zudem unter Verwendung eigenen Geschirrs, weil ihm das vorhandene zu profan erschien; Dutzende von Gängen hatte er aufgetischt und darauf bestanden, hinterher die Küche selbst zu wischen, keiner könne das gründlicher als er selbst! So viel Verschwendung von Arbeitskraft und Geld zugunsten einer Majestät, die hierzulande kaum einer je zu Gesicht bekäme, das reimte sich für den sparsamen Mann und Wirt einfach nicht zusammen:
»In Zukunft verwöhnet mer die Leut wied’r mit moine Köschdlichkeide,
mit Buabaschbizzdle und Kuddla, mit Roschdbrooda und Nierla! 51 Der bayrisch’ Dackel hätt oifach z’viel Schaffgoischd 52 . Im Wilde Weschd’n brauchet m’r koi solchene Brunneputz’r, koi Majeschdäd und koi Maulköchle!«
Pfäffle meinte natürlich »Majestät« und »Mundkoch« und manches andere, doch seine Aufregung war mir recht, weil er es darüber versäumte, mich zu fragen, wo Winnetou nun eigentlich sei; ich hätte dem
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