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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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liebt Euch in noch höherem Maße als seinen, wie er schreibt, unvergleichlichen Winnetou, mit dem er sogar sein Blut vereinigt hat? Wenn das
zutrifft, so hat er in seinen Texten, wo immer es Eure Person betrifft, die Blumen vielleicht nicht ganz so reich erblühen lassen. Übrigens: Ich bin ein Christ und kein Jude – freut Euch das?«
    »Es freut mich«, gab Halef zurück. »Wie es mich zugleich schmerzt, daß du immer noch meinen Worten mißtraust. Warum erwähnst du das gerade jetzt?«
    »Seht, verehrter kleiner Sir, weil ein noch viel größerer Unterschied als zwischen uns und unseren Religionen darin besteht, wie Kara Ben Nemsi, anderwärts Old Shatterhand genannt, uns Winnetou beschreibt. Darf ich Euch auf eine weitere Diskrepanz aufmerksam machen?«
    »Du darfst es, Effendi. Doch bedenke, bei mir mußte mein Sihdi die Kraft seiner Poesie erst gar nicht bemühen. Er hat mich doch einst – aber nein, das muß ein Geheimnis bleiben.«
    Suchend, als könnten Fels und Sand einen Lauscher bergen, wandte Halef sich um. Dabei trieb er sein Tier ein Stück nahebei an Sir Edwards. Sich ihm zuneigend, flüsterte er:
    »Effendi! Schon vor sehr langer Zeit hat mein Sihdi erkannt, daß ein von Allah so vollkommen gemachter Mensch wie ich keiner Preisung bedarf. Nur deshalb spart er in seinen Büchern mit Lob, wo immer er von mir spricht. Winnetou indes entrichtet er großzügig seine Wortspende, weil man in der Sahara von dem Apachen noch nicht allzuviel weiß. Es bedarf eines Mannes, eines Geschichtenerzählers, der die Abenteuer des Häuptlings auch in unsere Breiten trägt. Denke dir, wer auserkoren ist, diese Aufgabe zu erfüllen! Ja, Effendi, da staunst du! So sehr verwöhnt der Allmächtige die Seinen, daß er mich auserkoren hat, mich, der ich von mir sagen darf, ein direkter Nachfahre des Propheten zu sein!«
    »Vom Propheten stammt Ihr also auch ab?«
    Halef machte ein vertracktes Gesicht. Kaum jemals hatte sich in der Wüste Argwohn sicht- und hörbarer gemacht als eben jetzt bei dem Engländer. Dessen Kamelstute, durch die unmittelbare Nähe von Halefs Kamelhengst in Unruhe versetzt, scheute zur Seite.
Einen infernalischen Angstruf ausstoßend, bockte das Tier und schlug aus. Abermals hatte Sir Edward Mühe, sich im Sattel zu halten, doch ehe er die Gelegenheit dazu fand herabzufallen, stob die Furie mit ihm auf und davon.
    »Wo willst du hin, Effendi? Es hat keinen Sinn, vor meinen Worten zu fliehen, ich sage die Wahrheit. Komm zurück, du wirst dich verirren!«
    Wie sich zeigte, war es dem Engländer nicht gegeben, seinem Tiere Einhalt zu gebieten. Das Wüstenschiff pflügte schwer durch die See der Saharawellen, und Halef blieb keine Wahl, er mußte folgen. Tragisch, und komisch zugleich, gerieten das Englische und das Arabische in ärgsten Konflikt:
    » Come on, have pity on me – halte ein, habe Mitleid mit mir!«
    Weil all dieses freundliche Zureden nichts fruchtete, verlegte Sir Edward sich bald aufs Schimpfen und Zetern, wieder ohne Erfolg. Aus immer größer werdender Distanz hörte Halef ihn barmen und drohen:
    » Goodness me! Dummes Kamel, böses Kamel, Klepper von einem Kamel! Zum Abdecker mit dir, zum Metzger! Gehorche, bleibe endlich stehen! Good girl, calm down, please relax  – braves Mädchen, langsam, sachte! This is just extraordinary  – das ist ein starkes Stück!«
    Es half nichts, der Sir und das Höckertier blieben im fröhlichen Schwunge vereint. Schließlich wurde es Halef zu bunt. Entschlossen riß er aus seinem Gürtel einen der beiden Remington-Revolver, die ihm einst als Geschenk von einem gewissen Sihdi zuteil geworden waren. Er spannte den Hahn und legte, so gut das Gewoge seines Kamels es zuließ, zum Schusse an. Natürlich beabsichtigte er, an dem flüchtigen Tiere nur vorbeizuzielen, um es durch neuerliches Erschrecken zum Stillstand zu bringen. Just in dem Moment, als er feuern wollte, fand die Eskapade jedoch von selbst ihr Ende. Mitsamt seinem durchgerüttelten Reiter gefror das Kamel zu Eis, mitten in der Wüste.
    Kurz darauf hatte Halef den versteinert wirkenden Engländer
erreicht. »Lob und Preis sei Allah! Wie hast du mich erschreckt, Effendi. Ich glaubte, du wärest – – – «
    Doch Sir Edward hatte den Zeigefinger vor den Mund genommen, so daß auch Halef verstummte. Gemeinsam staunten sie: Weit von ihrem ursprünglichen Weg abgekommen, hatte die Landschaft sich ein weiteres Mal verändert. Die steinernen Bogen lagen weit zurück; die Schotterebene war

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