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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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lassen. Die Zügel gestrafft, die Flinte im Anschlag, war er auch schon kampfbereit. Den berühmten markerschütternden Schrei der Beduinen ausstoßend, flog der Haddedihn-Scheik seinem Ziel entgegen, entschlossen, der bedrohten Karawane Hilfe zu bringen – ganz allein.
    »Aber verehrter kleiner Sir, wollt Ihr auf mich verzichten? Als einziger von uns beiden besitze ich ein Fernrohr. Ich bin entschlossen, es Euch zu leihen!«
    »Und ich, Effendi, bin entschlossen, es nicht zu benötigen. Den Feind will ich aus allernächster Nähe sehen. Ich greife an!«
    Schon krachte die uralte Steinschloßwaffe los. Wohl versprühte sie einen beeindruckenden Feuerschweif, nährte aber leider nicht im geringsten die Aussicht, irgend jemand oder irgend etwas zu treffen. Schon wegen der Entfernung war es unmöglich, bereits jetzt einen sicheren Schuß zu tun; zudem hatte Halef die weiche, also den Gegnern abgewandte Seite der Karawane vor sich. Damit war er vom Feinde noch getrennt. Doch der »verehrte kleine Sir« zog es eben vor, seinem Temperament dasjenige seiner Büchse vorauszuschicken.

    Eines bewirkte der Knall unbedingt: Der bisher so schläfrige Menschenzug war auf die Gefahr aufmerksam geworden. Endlich, unter dutzendfachem Wehklagen und mit wilden Entsetzensrufen, versuchte man, einen Wehrkreis zu bilden. In dessen Mitte sollten nachgerade Frauen und Kinder Schutz finden, doch konnte diesem spät begonnenen Versuch kein Erfolg beschieden sein. Den Reisenden mangelte es an der nötigen Übung für ein solches Manöver, und nunmehr entdeckt, gaben die Angreifer jede Zurückhaltung dahin und trieben ihre Tiere an. Aus der sich rasch verringernden Distanz erscholl das wildeste Kriegsgeschrei, so daß die Karawane, inzwischen zusammengekrümmt wie ein Wurm, sich von zwei, ja drei Seiten gleichzeitig attackiert sah. Einzig von der vierten, gerade noch offenen Seite, wogte Hilfe in Gestalt zweier Reiter heran: Hadschi Halef Omar und Sir Edward!
    Als der Adelsmann gesehen hatte, daß Halef seine abgeschossene Flinte gegen einen seiner Revolver vertauschte, hatte es auch ihn nicht länger gehalten. Dem tapferen Streiter folgend, hatte auch er sein Kamel den Sandhügel hinabgetrieben, sich aber, anstatt zu schießen, darauf konzentriert, das in jedem Gefecht unerläßliche Recognosciren zu betreiben. Sein aufgeregt wackelndes Fernrohr am Auge, verfolgte Sir Edward den Aufmarsch der Briganten.
    Diese waren der Karawane bis auf Schußweite nahe gekommen. Trotz ihrer kaum militärisch zu nennenden Schlachtordnung durfte man die Meute nicht unterschätzen. Grobschlächtige, wildbärtige Gestalten bekam Sir Edward zu sehen, beritten mit schlanken, ausgeruht wirkenden Kamelen. Mochte es diesen Männern auch an Uniformen, überhaupt an einheitlicher Ausrüstung fehlen, ihre Umsicht und Entschlossenheit verriet Geschick. Im Orient heißen solch irreguläre Truppen Askaris, also Soldaten; dies schon deshalb, um ihrem Morden und Plündern den Anschein von Recht zu geben. In Wirklichkeit sind diese »Soldaten«, wie sie in der deutschen Heimat nicht einmal zur Aushebung einfachster Gendarmen taugen, nicht mehr als
menschgewordene Geier und Hyänen. Wie diese pflegen sie ihre Beute bis auf die Knochen abzunagen. Wer mit einem solchen Auswurf anbindet, muß mit dem Leben abgeschlossen haben – oder seiner Sache sehr sicher sein.
    Die Bataille war in vollem Gange. Halef und Sir Edward hüben, die Schar der Räuber drüben – im Galopp jagten die ungleichen Kämpfer aufeinander zu, zwischen sich das Rund der umfaßten, aber immer noch nicht feuernden Verteidiger. Fasziniert verfolgte Sir Edward in seinem Glase einen ganz besonderen, in vollem Sturme dahinfliegenden Reiter. In ihm, der sich durch eine Vielzahl befehlender Gesten hervortat, war unbedingt der Anführer zu erkennen. Auch er war ausgerüstet mit einem Fernrohr, dessen Wert in der Wüste bis auf den heutigen Tag unschätzbar ist. Einem normalen Soldaten jedenfalls wäre der Besitz eines solch kostbaren Gegenstandes unmöglich gewesen.
    Glas traf auf Glas – die Gegner hatten einander ausgemacht!
    Der ferne Arm des »Feldmarschalls« fuhr in die Höhe, aus seinem Munde gellte ein durchaus hörbares Kommando – und eine Vielzahl Gewehrläufe donnerte los. Doch alle Schützen »pinselten«, schossen blindwütig, ohne zu zielen, durch die Gegend. Obwohl ihre Salve sich somit als genauso unverbindlich erwies wie zuvor Halefs einzelner Schuß, floß nun erstmals Blut, denn ein

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