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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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Verhandlungen maßvoll zu begleiten. Den Vorsprung, den Hayes somit gewann, würden wir bei Tage schneller aufholen als in der Nacht. Natürlich fiel es mir nicht leicht, meine Unruhe zu bezwingen, doch es mußte sein.
    Donnerwolke ordnete an, daß ein neues großes Feuer angezündet wurde, und kaum war eine Stunde vergangen, ließ sich abermals eine Vielzahl roter Männer zur Beratung nieder. Sie zog sich bis zum Morgengrauen dahin, und einige Male schlugen die Wellen gefährlich hoch, wenn etwa die eine Seite einen Vorteil forderte und die andere diesen nicht zugeben wollte. Mehr Winnetous als meinem Geschick war es zu verdanken, daß die Kontrahenten nicht doch noch aufeinander losgingen.
    Endlich aber war es soweit. Zwischen den verfeindeten Stämmen war der Siegespreis festgelegt und gebilligt worden. Das Kalumet 85 wurde gestopft und in die Runde gereicht. Als Freund würzigen Virginiatabaks war es mir nicht unbedingt ein Vergnügen, die nötigen rituellen Züge zu tun, aber ich konnte von den versammelten
Roten schlecht verlangen, sich an einer Prise von Hirtreiters Schmalzler gütlich zu tun. Ich muß erwähnen, daß auch deshalb so schnell Einigung erzielt wurde, weil Adlerkralle, Vogels Vater und Friedenshäuptling der Upsarokas, sich bei einem anderen Zuge ganz in der Nähe befand. Selbst wenn ein erstes Kräftemessen zwischen den Stämmen zugunsten der Schoschonen ausgegangen wäre, hätten sie es mit dieser zweiten Streitmacht zu tun bekommen. Da half nur Einlenken.
    Wie so oft hatte Winnetou nur wenig gesprochen. Wie er indes die Verhandlungen meist allein mit Blicken, einem gelegentlichen Stirnrunzeln oder durch Heben einer Augenbraue in die richtige Richtung lenkte, das rang allen Beteiligten Bewunderung ab. Nur einer hatte nichts davon, einer, der ebenfalls wenig sprach und um so genauer zuhörte: Scha-na-tse, der halbblinde Medizinmann. Ich sage halbblind, weil ich es hatte einrichten können, ihm gegenüberzusitzen, um ihn unauffällig zu beobachten. Nach einiger Zeit war ich davon überzeugt, daß ich ihm helfen konnte, vorausgesetzt, mein Brillenvorrat war heil geblieben.
    Doch es sollte nicht sein. Als einige Krieger losgeschickt wurden, um unsere Waffen und überhaupt sämtliches Eigentum herbeizuschaffen, fehlte zwar, als sie zurückkehrten, bis auf ein paar Kleinigkeiten nichts, sogar Halefs Gebetsteppich und Hirtreiters Filzhütchen fanden sich ein sowie dessen letzte Pfanne. Doch oje, die Brillen, die ich in meiner Satteltasche verwahrt hatte! Sie waren sämtlich zu Bruch gegangen. Dies mußte bei dem Angriffe in der Prärie geschehen sein, als Hayes mit seinem Pferd über mich gekommen war. Geradezu zermörsert war jedes Glas, kein einziges Stück war noch groß genug, daß daraus wenigstens ein Monokel gefertigt werden konnte – wäre es zu dem von Halef angeregten Heilerwettstreit gekommen, ich hätte mit leeren Händen dagestanden. Ohne die optischen Gerätschaften hätte ich nichts bewirken können, die Indianer hätten mich unbedingt für einen Scharlatan gehalten.
    Schon wollte ich mich mit dem Gedanken bescheiden, daß jedes Ungemach eben auch sein Gutes habe, als ein Mann zu uns
ans Feuer trat. Es war Everts, der starrköpfige Steuereintreiber und eigentliche Urheber unserer Gefangennahme. Man wird verstehen, daß ich mich zuletzt nicht mehr um ihn gekümmert hatte; zu oft hatte er meine Langmut herausgefordert. Nun aber erlebte ich ein Wunder.
    Weil auch Everts zuvor den Streit mit Hayes und den Indianern mitverfolgt hatte, erkannte er nun das Dilemma, in dem ich steckte: Zwar würden wir frei sein und mit erhobenem Haupte aus dem übel zugerichteten Indianerdorfe reiten, aber dem Medizinmanne zu helfen, der im Grunde für uns gesprochen hatte, würde mir nicht vergönnt sein. Ohne besondere Rücksicht auf Höflichkeit, wie es nun einmal seine Art war, trat daher Everts zu Scha-na-tse. Er setzte sich einfach neben ihn, als ob es sich ebenfalls um eine Selbstverständlichkeit handelte, und mit vor Aufregung zitternder Stimme sagte er:
    »Ich bin Mister Everts, Mitglied der Washburn-Expedition, die von euch Schoschonen überfallen wurde. Dabei erlitt ich das gleiche Schicksal wie Ihr, roter Sir, ich verlor zeitweilig das Augenlicht. Tagelang irrte ich in der Ebene umher, konnte nur von Gras zehren und fand kein Wasser. Ich weiß also, was es bedeutet, so gut wie blind zu sein. Da wurde ich gerettet, denn Winnetou und Old Shatterhand fanden mich, und letzterer machte mir ein

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