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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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mit meinen zurückerhaltenen Sachen sowie mit dem Satteln von Hatatitla.
    Bevor ich aufstieg, kam Winnetou zu mir. Mit seiner lieben, sanften Stimme fragte er:
    »Mein Bruder Scharlih ist besorgt?«
    »Ja, Winnetou. Ich weiß nicht, ob Alma diese neuerlichen Beschwernisse aushält. Sie ist ja nur ein Mädchen.«
    »Winnetou meint etwas anderes.«
    »Du denkst an Halef, Hirtreiter? Sie sind das Leben im Wilden Westen ebenfalls nicht gewohnt, haben sich aber bisher gut geschlagen.«
    Ein eigenartiger Blick traf mich: »Versteht Scharlih wirklich nicht?«
    Es hatte keinen Zweck, Winnetou etwas vorzumachen. Ja, ich verstand, was oder vielmehr wen er meinte, er sprach natürlich von Milton Hayes. Schon die ganze Zeit über, seit dem Abend unseres Wiedersehens in Cheyenne, hatte er diesen Punkt berühren wollen, stets war ich ausgewichen. Jetzt mußte ich mich bekennen, alles andere wäre töricht gewesen.
    »Winnetou hat recht. Ich weiß, von wem er spricht.«
    »Mein Bruder muß sich seinen Dämonen stellen. Die Apachen kennen gute Mittel. In der Abgeschiedenheit werden seine alten Wunden heilen.«
    »Gewiß, Winnetou. Aber um mich zurückzuziehen, bedarf es einer günstigen Gelegenheit. Eine solche bietet sich gerade nicht, wir dürfen nicht warten.«
    »Scharlih sorge sich nicht. Der Mann, der wie er aussieht und
spricht und sich Ma-ta-weh nennt, wird der Goldenen Squaw nichts antun. Sein Herz schlägt für sie, genau wie dasjenige meines Bruders. Sein Geist ist vor Ma-ta-weh erschrocken und der seine vor ihm, denn sie gleichen einander wie Gesichter, welche sich in dem stillen Wasser eines Sees erblicken – Vogel hatte recht.«
    »Ein kluger Junge«, warf ich ein. »Bald wird er einen richtigen Namen tragen.«
    »Und Scharlih wird sich Ma-ta-weh stellen«, beharrte Winnetou. »Old Shatterhand muß gegen sich selbst kämpfen!«
    »Ja, wenn ich es nicht tue, tut es ein anderer. Ma-ta-weh hat die Schoschonen verraten. Aber auch Donnerwolke ist nicht zu trauen. Um seine Ehre wiederherzustellen, wird er sein Wort brechen und uns folgen. An unserer Stelle wird er seinen einstigen Verbündeten sowie die anderen Weißen an den Marterpfahl stellen wollen.«
    »Das wird Winnetou nicht zulassen. Ma-ta-weh gehört meinem Bruder.«
    »Und Alma gehört nicht zu Ma-ta-weh!« fügte ich hinzu.
    Dazu sagte Winnetou nichts, aber er zeigte sein feines, rätselhaftes Lächeln, das doch nur die Andeutung eines solchen war. Wie wenig hatte ich ihm gesagt, und wieviel Weisheit hatte er in seine Worte gelegt!
    Ohne gegessen oder getrunken oder geruht zu haben, machten wir uns auf. Die Unruhe, die mich trieb, war stärker als mein Verlangen nach Speise oder Rast. Ich wußte, daß ich keinen Frieden finden würde, ehe ich nicht noch einmal – ich hoffte, zum letzten Male – in jenes »Wasser« geblickt hatte, und erst recht durfte ich die Dämonen, von denen Winnetou gesprochen hatte, nicht warten lassen.

    Als erstes durchritten wir das Wäldchen, das in der Nacht Hayes Zuflucht geboten hatte. Seine zwar hohen, aber licht stehenden Bäume, eine auffällig zu Kahlheit neigende Föhrenart, zwangen
unsere Pferde zum Schritt, wenngleich die feindlichen Reiter eine unübersehbare Schneise in das Grün geschlagen hatten. Als die Strahlen der Sonne bereits vermehrt durch die Baumreihen griffen, kam eine Gestalt auf uns zu, die man ob ihres Zottelkopfes für ein verirrtes Büffelkalb hätte halten können. Es war aber, wie sich herausstellte, Scha-na-tse.
    Wohl trug er noch immer sein haariges Erkennungszeichen und auch dieselbe Kleidung wie zuvor am Feuer. Aber sonst hatte er sich völlig verändert. Insbesondere hatte er sich alle Farbe aus dem Gesicht gewischt; schier berstend vor Kraft, stand er vor einem einzelnen, besonders hochgewachsenen Baume, das erste Tageslicht im Rücken, so daß man von seiner Erscheinung wahrlich geblendet war. In jede Faser seines gleichfalls hochgewachsenen Körpers waren Stolz und Selbstbewußtein zurückgekehrt – der Zweigesichtige hatte sein anderes, wohl lange Zeit vermißtes Antlitz zurückgewonnen!
    Ich spürte, daß er noch etwas anderes auf dem Herzen hatte, deshalb ließ ich halten. Noch jedesmal habe ich gut daran getan, solchen Anwandlungen zu folgen, zumal bei einem solch spirituellen Manne. Gleichviel, welchem Stamme ein Schamane angehört, alle gelten sie als heilig, und will man vielleicht ihre Rolle als Geistersprecher nicht gelten lassen, so ist doch ein jeder von ihnen der jeweils am besten

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