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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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unschätzbares Geschenk, indem er mir diese Brille abtrat. Wie aber dankte ich es ihm und seinen Begleitern! Durch meinen Eigensinn wären wir fast zugrunde gegangen. Dennoch taten diese beiden, Winnetou und Old Shatterhand, alles, um uns zu retten – und damit auch mich, der sich so sehr an ihnen versündigt hatte.«
    Das Reden fiel Everts schwer, ein jeder bemerkte es. Dennoch fuhr er fort:
    »Als wir in diesem Lager ankamen und man mich zu Mister Washburn und den anderen steckte, war mir, wie ich dachte, nicht das geringste meines Besitzes geblieben. Wie aber staunte ich, als Mister Langford, der ein Schriftstellerkollege von Old Shatterhand ist, mir meine Ersatzbrille überreichte – mehr hatte den
Angriff auf die Kompagnie nicht überlebt. Nun, Sir, denke ich, daß es nur gerecht ist, wenn ich Old Shatterhands Geschenk an Euch weiterreiche; zwar weiß ich nicht, ob es Euren Erfordernissen entspricht, aber hoffen möchte ich es, ganz fest!«
    Damit nahm Everts das Gestell von der Nase und legte es in die leer über den Schoß gebreiteten Hände von Scha-na-tse. Verwundert betastete der Schamane den fremden Gegenstand, die feinen Gläser, die Bügel aus Zelluloid. Allmählich Sinn und Zweck des Geschenks erfassend, bemühte er sich, die Brille aufzusetzen, was er zunächst ganz falsch anfing. Es war dies aber kein Moment der Heiterkeit, alle Anwesenden spürten, daß sich hier etwas Besonderes vollzog.
    Noch hatte Scha-na-tse, wie man es häufig bei schlechtsichtigen Menschen erleben konnte, die Augen geschlossen. Jetzt öffnete er sie.
    »Uff – dort sitzt Donnerwolke! Uff – und dort sitzen Winnetou und Old Shatterhand! Scha-na-tse kann wieder sehen, seine Augen trübt nicht länger der Nebel. Uff, uff!«
    Wie aus dem Schlaf geschreckt, fuhr er auf, plötzlich elastisch geworden. Er faßte mit beiden Händen an die Gläser, bedeckte sie, gab sie wieder frei, drehte und schüttelte dabei den Kopf, daß ich schon befürchtete, er könnte die Brille sogleich wieder verlieren. Dann geschah es: Der geistige Führer der Schoschonen, dieser bisher zu Zurückhaltung und Behäbigkeit gezwungene Mensch, umarmte den sitzenden Everts, und zwar mit einer solchen Wucht, daß dieser auf den Rücken fiel und wie ein Maikäfer mit Händen und Beinen strampelte. Sodann warf er sich mit derselben Wucht auf mich, doch hielt ich stand und ließ mir die unerwarteten Zärtlichkeiten gefallen – nichts ist größer als der Dank eines von großer Pein befreiten Menschen.
    »Scha-na-tse sieht den Bruder Mond verglühen, Scha-na-tse sieht die Schwester Morgenröte, Scha-na-tse kann sehen, sehen, sehen!«
    Die Beratung war offiziell noch nicht zu Ende, aber für den glücklichen
Schamanen war sie es doch. Er verschwand einfach, mit unbekanntem Ziele.
    Natürlich darf ich nicht behaupten, jene Brille hätte den Mann geheilt; ich hätte nicht einmal sagen können, ob er von einem Augenleiden oder von einer altersbedingten Sehschwäche betroffen war. Aber anscheinend waren die Gläser scharf genug, einen bedeutsamen Unterschied zu schaffen. Was ich, nach Halefs Ankündigung, hatte erreichen wollen, aber nicht hätte erreichen können, das war nun möglich geworden, nämlich durch Everts, von dem ich es am wenigsten erwartet hätte.
    Weil zwischen den Schoschonen und den Upsarokas tatsächlich alles Wesentliche gesagt war, blieb auch ich nicht länger sitzen und hob gewissermaßen die Tafel auf. Die »Schwester Morgenröte« flammte ja wirklich am Osthimmel; noch ehe die Sonne aufging, konnten wir im Sattel sitzen und die Verfolgung von Hayes aufnehmen. Aber zunächst wandte ich mich an Everts.
    »Mister Everts, auf ein Wort! Was Ihr da eben gesagt und getan habt, berührt mich sehr. Darf ich hoffen, daß Ihr Euch geläutert habt?«
    Und Everts, der nun wieder die eigene Brille trug, antwortete:
    »Old Shatterhand, wie oft habe ich Euch in den letzten Tagen Abbitte getan, leider ganz im stillen. Sagen hätte ich es Euch sollen, hinausrufen, hinausschreien, was für ein verdammter Narr ich gewesen bin und wie leid mir mein Verhalten tut. Ich habe eingesehen, daß keine Steuer der Welt, kein Zins und kein Aufschlag es wert ist, darüber den Menschen zu vergessen. Als wir unlängst gefesselt nebeneinanderlagen und erbärmlich froren, als die Rothäute sich mästeten, wir aber Hunger litten, als man uns zwang, immer weiterzureiten, obwohl ich vor Müdigkeit beinahe aus dem Sattel gefallen wäre, da erkannte ich, wer der Schuldige an

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