Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
schwieg weiterhin, rollte aber mit seinen dunklen Augen.
Leise, mit der beschwörenden Stimme eines Sehers fuhr Halef fort:
»Ja, so könnte es kommen: Saleh rüstet zum Sturm auf die Stadt, was viel Geld kosten wird – Geld, das er Reisenden abpreßt. Zudem ist sein Herz entflammt – für eine Christin, für das Mädchen aus Alemanja.«
»Das Mädchen?« Faris Abbas löste sich aus der Starre. »Das Mädchen bedeutet ihm nichts. Erst müßte sie zum Islam übertreten, denn nur als Moslemin könnte Saleh sie freien.«
»Müßte – könnte – wie leicht kann dennoch alles dies geschehen. Nichts davon, o Faris Abbas, wäre zu deinem Vorteil. Vielleicht würdest du in Algier mehr Soldaten befehligen, auch höheren Sold erhalten. Aber herrschen würdest du nicht. Es sei denn – – – «
»Was meinst du, Hakim?«
»Ach, bin ich wieder Hakim? Das freut mich! Nun, als solcher sehe ich nur eine Kur für dein wundes Herz: Du selbst mußt Dey werden – und die Ungläubige heiraten, denn du liebst sie!«
»Was – was – – – ?«
Offenen Mundes verfiel Faris Abbas wieder in sein abwesendes Schweigen.
Halef, der ihn weiter hinter sich wußte, faßte sich in Geduld, während ihm Sir Edward, der jenen wenigstens von der Seite sehen konnte, Kopf, Nase und Warzen zuneigte. Auch er hatte bemerkt, wie sehr es nach Halefs letzten Worten in dem Manne arbeitete.
»Gut«, sagte dieser. »Hast du dein Spiel also auch mit mir gespielt, wenngleich vergeblich. Wenig genug weißt du und spinnst dir dafür um so mehr zusammen. Dennoch will ich gnädig sein
und dir einen Weg bezeichnen, auf dem ihr eurem blutigen Schicksale entrinnen könnt.«
»Nein, o Feldherr und Paladin, das will ich nicht. Ich ahne viel und weiß bereits mehr, als du denkst. Verschonen willst du uns, zu Verbündeten machen, damit du dich gegen Saleh erheben kannst. Daß zwei einzelne Männer sich an deine Truppe gewagt haben, hat dich von unserem Kampfeswillen überzeugt. Und doch sind auch wir für deine Zwecke noch nicht genug. Nach allem, was du im Palast gehört hast, hoffst du auf einen weiteren, einen dritten Kämpfer, einen noch viel schlaueren, gewitzteren, als wir zusammen es sind. Nur mit ihm, glaubst du, könntest du deine Pläne verwirklichen. Warte, schon in wenigen Augenblicken soll dir Gewißheit werden!«
Halefhatte diese Worte gerade gesprochen, da betrat Saleh wieder die Hütte.
An dem ärgerlichen Grunzen, welches er seinen ungeduldigen Schritten vorauswarf, wurde deutlich, wie wenig ihm der Zustand des nebenan gemarterten Karwan Baschi Freude bereitete. Entsprechend unterwürfig gab sich Aidschan, indem er sofort, Faris Abbas’ Gegenwart nicht beachtend, an dem mittleren, unbesetzten Pfahl seine Peitsche, den Sjambok, ausprobierte. Etliche Male zischte und pfiff das entsetzliche Leder, unterbrochen von dem Knacken des gewiß nicht weichen Palmenholzes.
»Brav, Aidschan!« brummte der Vater des Teufels. »Solche Hiebe erwarte ich von dir. Nimm dir zuerst den langen Engländer vor, der in meinem Lande spioniert. Dann, wenn deine Gelenke warm sind, zählst du dem Kleinen, diesem Günstling Kara Ben Nemsis, sein Maß auf. Haben beide ihre Streiche erhalten, brennst du ihnen mein Zeichen auf die Stirn. Doch denke daran, gepeinigt will ich diese Männer sehen. Die Gnade der Ohnmacht, mit der dein Stellvertreter den Alten erlöst hat, verdienen sie nicht, denn sie sind – – – «
Jemand rief dazwischen:
»Nein, diese Reihenfolge gefällt mir nicht, mit mir muß angefangen werden!«
Saleh trat zu Halef, denn kein anderer hatte diese Worte gerufen.
»Sohn einer Hündin, sehnst du dich so sehr nach Schmerzen, daß du dir die Peitsche als erster wünschst?«
»Ja, das tue ich. Peitsche nur mich zuerst, damit ich gewahr werde, ob ich wache oder träume. Denn Saleh, du verwunderst mich. Die Herrschaft des Deys stellst du in Frage, indem du dich selbst Herrscher eines ganzen Landes nennst, das doch nur eine Oase inmitten von lauter Sand und Steinen ist. Auch drohst du mit dem Vergiften der Quellen, die du doch nur besitzt, die dir aber nicht eignen und gebühren. Sie gehören allen Menschen, allen, die den Mut besitzen, die Wüste zu durchqueren. Und gar die Felsen des Tassili! Wiederum der Dey von Algier, unter dessen langer Regentschaft gewiß auch du geboren wurdest, der Dey erlaubte den Ungläubigen, also auch den Deutschen, den Engländern, den Franzosen 29 , dieses Gebiet, das du als das deinige bezeichnest, zu
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