Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
Engländers zu entsenden und dich durch das ganze Land der Ungläubigen zu schicken, ich würde es hergeben; meine Rache ist mir kostbarer als Geld. Doch selbst wenn ich es täte – wenn ich wollte – wenn ich mich entschiede – – – «
Saleh studierte, und Aidschan seufzte.
»Selbst wenn ich es wollte, es wäre doch vergebens. Träfest du nämlich Kara Ben Nemsi, er müßte sofort vor Angst erzittern. Sobald du mich ihm beschriebest, ihm meine Körpergröße nenntest und auf meine Muskeln und meine Kraft hinwiesest, würde er zu weinen beginnen wie ein Säugling, wenn ein Gewitter naht. Überall bin ich ja ein gefürchteter Held und Kämpfer, er aber ist nur ein Fremder und Meuchler. Hätte man je gehört, daß Kara Ben Nemsi über eine Oase herrscht?«
»Das ist allerdings wahr«, nickte Halef.
»Flüstert man seinen Namen mit Furcht und Schaudern?«
»Gewiß nicht«, pflichtete Halef bei.
»Und besitzt er für jedes Sandkorn, das zwei mal zehn Hände zu fassen vermögen, ein Goldstück – türkisches Gold?«
»Leider nein«, stimmte Halef wieder zu.
»Siehst du! Nie würde er dir folgen und hierherkommen. So sehr überlegen bin ich ihm, daß er sich von Anfang an verloren geben wird.«
»Doch Saleh, du vergißt, daß Kara Ben Nemsi ein Ungläubiger ist.«
»Nur daran denke ich! Furchtsam sind sie, die Ungläubigen, sobald ein Sohn Allahs das Schwert gegen sie erhebt.«
»Furchtsam, sagst du, ein Christ? Gerade ihnen erlaubt ihr Unglaube eine solche Regung nicht. In ihrem für heilig gehaltenen
Buch werden sie sogar zum Kampfe ermuntert, besonders dann, wenn er aussichtslos erscheint. Mein Sihdi sagt, ein Christ müsse gar, so der Feind ihn auf die eine Wange schlage, diesem die andere bieten.«
»Welch Narren doch die Christen sind«, fand Saleh zu seinem gewohnten Baß zurück, was Aidschan mit einem ebensolchen Seufzer komplimentierte. Und er sagte:
»Du meinst also, Kara Ben Nemsi würde das Schiff besteigen und sich hierherbegeben? Er würde sich in meine Klinge stürzen, nur weil die Verblendung seines Glaubens ihm Tapferkeit befiehlt? Ja, wenn ich es recht bedenke – was du sagst – wie du es vorbringst – es könnte wahr sein. Fanatisch sind die Giauren immer gewesen, genug Beispiele dafür hat man erlebt – – – «
Angestrengt sann Saleh weiter, und Halef hütete sich, ihn dabei zu stören, seinem Gegner die kunstvoll ausgelegte Leimrute fortzuziehen. Schließlich sagte der Vater des Teufels:
»Was, wenn ich dir befehle, die Reise zu unternehmen und mir Kara Ben Nemsi herbeizuschaffen? Ich müßte allerdings die Gewähr haben, daß du Wort hältst. Zur Sicherheit würde ich deinen Freund als Geisel behalten und ihn köpfen, falls du der Frist, die ich dir auferlegen müßte, nicht genügst. Und ich könnte dir einen weiteren Grund geben, mich nicht zu betrügen. Was, wenn ich die Bücher deines Herrn überall dort verteilte, wo im Kampfe Blut fließt, bei den Leichen unserer Feinde? Deren Angehörige müßten denken, Kara Ben Nemsi und du, ihr wäret Räuber, die sich über unschuldige Reisende hermachten. Unweigerlich müßtet ihr der Blutrache verfallen, bei einem jeden Stamme. Das wäre ein unbedingter Grund, dein Wort einzulösen – gibst du es?«
Hatte Halef bisher mit bewundernswertem Geschick und unglaublicher Geschwindigkeit auf sein Ziel hingearbeitet, Saleh mit seiner Rachgier zu übertölpeln, so durfte er nun nicht den Fehler begehen, dem Lauernden allzu schnell zuzusagen. In dem kunstvoll gespielten Zögern und Wägen, das er darum auf jene Frage zeigte, war die – selbstverständlich gespielte – Qual eines
längst Entschiedenen, jedoch die Tragweite seines Tuns sehr wohl Erkennenden zu sehen. Allerdings hatte Halef auch Sir Edwards Lage zu bedenken. Dieser würde, wie von Saleh gefordert, als Geisel zurückbleiben müssen, viele Monate lang, während der Ausgang von Halefs Exkursion ungewiß war. Sir Edward, der »Effendi«, war jedoch, genau wie der »verehrte kleine Sir«, ein Mann der Tat. Wenn sein einstweiliges Verbleiben in Gefangenschaft der einzige Weg aus derselben heraus war, so würde er sich eben dreinschicken, darauf durfte Halef zählen. Und er tat es, denn er sagte:
»Ja, Saleh! Ich werde die Reise auf mich nehmen. Ich gebe dir mein Wort, alles zu versuchen, Kara Ben Nemsi in Amerika zu finden. Selbst wenn es mir mißlingt, ihn dort aufzuspüren, wirst du mich wiedersehen, denn die Haddedihn stehen zu ihrem Wort. Doch sieh –
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