Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
Mut bei ihrem Anblick? Aidschan! Einen Piaster für jeden Schrei, den du diesen Männern entlockst! Doch bevor wir hier beginnen, laß uns nach nebenan gehen und sehen, ob dein Stellvertreter den Willen des Karwan Baschi gebrochen hat. Du, Faris Abbas, stelle diese Kerle an den Pfahl, und binde sie nur recht fest; das Blut soll ihnen aus den Adern spritzen. Wenn ich ihnen schon das Leben schenke, so sollen sie für den Rest ihrer Tage an mich denken!«
Damit verließ Saleh nebst seinem Gefolge sowie Aidschan die Hütte. Bis auf die eingeschmuggelten Wachen war Faris Abbas mit den Gefangenen allein.
Eine seltsame Spannung lag in dem Raume.
Noch waren Halef und Sir Edward ja ungefesselt, und der Kommandant wähnte sich im Schutze treuer Askaris. Ihn zu überwältigen und als Geisel zu nehmen wäre nicht unmöglich gewesen. Doch da drehte sich in Faris Abbas’ Händen bereits ein Strick, dann ein zweiter – die Fesselung sollte beginnen. Wenn überhaupt, mußte jetzt zur Tat geschritten werden.
Halef beließ es dabei, dem »Feldmarschall« prüfend in die Augen zu sehen. Den drängenden Blick Sir Edwards, der schier auf ein Zeichen wartete, spürte er wohl, und doch zeigte er Faris Abbas willig seine Hände. Dieser band ihn und fesselte ihn an den linken der drei Pfähle. Seinem Beispiele folgte Sir Edward, nicht ganz so demütig wie der ihm unbegreiflich gewordene Haddedihn, doch auch er leistete keine Gegenwehr. Ihm wurde der äußere, rechte Pfahl zugewiesen, der mittlere blieb frei.
Als sie nun beide, dem Eingange abgewandt, in Wehrlosigkeit dastanden, zückte Faris Abbas das Messer. Mit ein paar rohen Schnitten zerteilte er jedem Mantel und Untergewand, bis jeweils der Rücken freilag, um so dem Sjambok ein sicheres Ziel zu bieten. Zuletzt nahm er Halef den Turban vom Kopfe und Sir Edward das Tuch.
Gebannt verfolgten die Wachen, die doch heimliche Verbündete waren, das Geschehen. Sie vermochten nicht zu begreifen, weshalb die bisher so Unbeugsamen keine Gegenwehr zeigten – war es zum Eingreifen nicht schon zu spät?
Faris Abbas trat einen Schritt zurück. Wohlgefällig betrachtete er sein Werk, ehe er sich dicht hinter Halef begab, ihn um zwei Haupteslängen überragend. Für die Wachen unhörbar, für Halef aber laut genug, so daß auch Sir Edward ihn verstehen konnte, sagte er:
»Ich weiß, warum du gelassen bleibst, falscher Arzt und Heiler.
Die Nähe zu Walid und seinen Abtrünnigen draußen und in der Hütte beruhigt deine Sinne. Du hoffst auf ihre Hilfe, wenn es zum Äußersten kommt, doch wie sehr täuschst du dich – denkst du wirklich, er hätte Zugang zum Palast erhalten, wenn nicht jemand Bestimmtes es so gewollt hätte? Denkst du des weiteren, der kurze Weg vom Ufer hierher hätte so lange dauern müssen, wie er gedauert hat? Ich weiß, immer noch wäre es dir lieb, wenn man dich und deinen Begleiter für Dummköpfe hielte, welche man nach ein paar Peitschenhieben davonjagt. Doch schon einmal habe ich dir gesagt, mich täuschst du nicht. Es wird dich überraschen: Ich habe Pläne – Pläne mit euch!«
»Und dich wird es überraschen, daß auch wir Pläne haben«, gab Halef ungerührt zurück. »Pläne mit dir, Faris Abbas.«
»Das sagst du nur, um mich irrezuführen.«
»Aber Faris Abbas, wie sollte mir das gelingen? Bist nicht von uns dreien du derjenige, der in dieser Kunst die größte Meisterschaft besitzt? Ein stolzer Mann wie du muß Gründe haben, sich vor Saleh auf den Bauch zu werfen, wie wir alle es vorhin, im Palast, sehen konnten; Gründe, die über Gehorsam und Ergebenheit weit hinausgehen; Gründe, die von hier bis nach Algier reichen – – – «
Faris Abbas stutzte.
»Was weißt du von Algier?«
»Etwa, daß hier so mancher dem dortigen Dey Rang und Besitz neidet – – – «
»Das tut ein jeder, das ist nichts Neues. Überhaupt, du redest irr. Mich lockt Algier nicht. Man kann mit dem Leben in der Oase zufrieden sein.«
»Ja, man kann aber auch sehr ärmlich in ihr wirken, wenn man nämlich seine Mittel für ein ganz anderes, viel größeres Ziel aufspart – – – «
»Du redest irr!«
»Das sagtest du bereits. Dabei vermeide ich es, Namen zu nennen. Einer allerdings könnte der deines Herrn sein, ein anderer der
deine. Denn hier, in Dschunet, haust Saleh nur. In Algier wird er residieren – im Palaste des Deys; ja, er selbst wird Dey sein, wenn er sich gegen ihn empört. Denkst du nicht auch, daß dies sein größter Wunsch ist?«
Faris Abbas
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