Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
durchstreifen. Was sie fanden und was immer auch der Engländer neben mir finden wird, das gehört nicht dir, gehört überhaupt keinem Sterblichen, das gehört Allah. Willst du dich nach dem Dey auch gegen den Allmächtigen erheben, gegen den Barmherzigen und Erbarmer?«
»Der Dey geht mich nichts an«, sagte Saleh. »Algier ist weit, so weit wie der Mond. In meiner Oase bin ich selbst ein Dey, ein Dey der Tuareg , ein Sultan! Ich stamme von den Imanan ab, von denen man weiß, daß jeglicher Ruhm in der Welt von ihnen begründet wurde. Denn unser Urahn war ja niemand andres als der Prophet.«
»Wenn du zu den Tuareg gehörst, Saleh, weshalb trägst du dann keinen Tagelmust, den Gesichtsschleier? Und wenn du ihr Anführer
sein willst, wieso ähnelt deine Kleidung nicht im geringsten derjenigen dieses stolzen Volkes? Weshalb ist die Farbe deiner Haut um so vieles heller als die jener, auf die du dich berufst? Ich gebe dir die Antwort: weil du gar kein Tuareg bist. Diese sind wohl Kämpfer, ja, aber niemals würden sie Reisende angreifen, sie ausrauben und in die Sklaverei schicken. Niemals würden sie das Morden und Plündern dem Handel und der Gastfreundschaft vorziehen; niemals würden sie sich über andere erheben, indem sie das größte Geschenk, das Allah dem Menschen beschert, für sich allein beanspruchen. Einen Wegzoll würden sie fordern, so ist es Sitte. Doch eine ganze Karawane gefangenzusetzen, wie deine Patrouille es getan hat, zu einer solchen Tat würden sie sich nicht unterstehen.«
Mit diesen Worten schien zwischen Saleh, Aidschan und Faris Abbas ein Wettkampf darüber ausgebrochen zu sein, wessen Mund am weitesten offenstehen könnte. Dabei hatte Halef sich erst in Schwung geredet.
»Abu Saleh! Als einer, der viel herumgekommen ist, will dein Antlitz mich nicht recht an die Tuareg erinnern. Eher denke ich bei dir an einen Menschenschlag, wie er um Akaba 30 herum lebt, von woher auch dein Neffe stammt. Ja, mir ist, als hätte ich dich dort einmal gesehen. Der Allmächtige weiß, wie du dich in den Besitz dieser Oase gebracht hast. Er weiß aber auch, daß du verloren bist, wenn du weiter Seiner Gebote lästerst und Reisenden die Freiheit nimmst, sie quälst und ihren Besitz raubst. Saleh, gib diese Perle aller Oasen frei, desgleichen deine Gefangenen und also auch uns beide, oder du lädst untilgbare Schuld auf dich!«
Damit schwieg Halef vorerst.
Waren schon seine Worte ziemlich starke gewesen, so hatte er mit seiner Forderung nach Freilassung den Bogen überspannt; mit Absicht, wie seine entschlossene Miene zeigte. Entsprechend verwandelte sich Salehs Verblüffung in Zorn.
»Fremder, deine Mutter hat den Sohn eines Esels großgezogen!
Was mir gehört, gebe ich nicht wieder her; immer mehr muß es werden, noch viel mehr. Geld kauft Gold, und Gold blendet die Augen. Sein Besitz stählt das Herz des Menschen und hebt ihn über die Menge hinaus. Schon bald werde ich genug davon besitzen, um eine ganze Armee auszurüsten. Dann ist die Zeit reif, die Franzosen und ihre Speichellecker aus Algier hinauszuwerfen. Ein solches Ziel ist dir, Eselssohn, natürlich fremd. Davonjagen werde ich die gottlosen Besatzer, sie ins Meer treiben, zurück in ihr eigenes, verzweifeltes Land, aus welchem herüber sie uns Krankheit, Not und Elend brachten. Dann wird der Tribut eines jeden, der je meinen Weg gekreuzt, nur das Lösegeld für unsere Freiheit gewesen sein. Wie kannst du, Unwürdiger, es wagen, mich darum eines Verbrechens, gar mehrerer zu zeihen. Noch die Kindeskinder meiner Untertanen werden mich für ihre Freiheit preisen, und mein Name wird die Zeiten überdauern, denn ich bin gesund und werde älter als Methusalem und reicher als Nebukadnezar mitsamt seinen drei Nachfolgern. Ich sollte dich köpfen und anschließend dein Haupt pökeln lassen. Sollen sich die Hunde daran sattfressen!«
»Tue es, Saleh, so kommen wenigstens sie zu Kraft und Verstand. Mein Leben liegt in Allahs Hand, nicht in deiner. Peitsche mich also, geschwind, auf daß mir möglichst schnell entfällt, wann und wo ich deinen ärgsten Feind wiedersehen wollte.«
Nun stutzte Saleh.
»Wie, du sprichst von Kara Ben Nemsi?«
»Von ebendiesem«, sagte Halef schnell. »Noch erinnere ich mich an ihn – war er nicht unlängst in Akaba? Tötete er dort nicht deinen Neffen Ayman?«
»Erwähne Ort und Namen nicht; du bist es nicht wert! Kara Ben Nemsi – ist er denn nicht längst tot, verschollen, von der Hölle verschluckt?«
»Nein, o
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