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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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welches die Expedition abgesegnet hatte, war mir versichert worden, es werde hierbei nicht etwa um ein Projekt weiteren Landraubs gehen, wie ihn seit Jahren der Bau der transkontinentalen Eisenbahn darstelle. Wohin auch immer der weiße Mann seinen Fuß setzt, wird ihm ein roter Fuß weichen müssen, und ich hatte einst Winnetou versprochen, mich nie mehr an einer solchen Unternehmung zu beteiligen.
    Bei der beabsichtigten Erkundung handelte es sich mitnichten um einen Diebstahl von Land. Noch nie zuvor in der kurzen Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika war es unternommen worden, einen Landstrich komplett vor seiner Besiedelung geschweige denn Ausbeutung zu bewahren. Vielmehr ging es um die Kartographierung der gesamten Yellowstone-Gegend, insbesondere seiner Wasserspeier, der sogenannten Geysire. Löblicherweise erwog die Regierung, diese Naturphänomene zu erkunden und sie womöglich für alle Zeiten unter Schutz zu stellen. Allmählich begann man auch in Washington einzusehen, daß die Geschwindigkeit, mit der die Moderne über den Kontinent walzte, bald die letzten weißen Flecken auf der Landkarte überrollt haben würde. Nur deshalb sollte es unternommen werden,
einige letzte urwüchsige Gebiete vor Schloten, Gruben und dem Lärm von Maschinen zu schützen.
    Getrost durfte ich einem solchen Vorhaben hilfreiche Hand leisten, wobei es mir gar nicht um die Bezahlung ging, welche mir für einen mehrteiligen Bericht versprochen worden war. Daß Winnetou, den ich in Cheyenne zu treffen beabsichtigte, genauso denken würde, war für mich ausgemacht. Es hat kein anderer Häuptling irgendeines anderen namhaften Stammes so weit vorausgedacht wie er, und so rechnete ich auf seine Zustimmung, den Plan zu unterstützen. Dieser bestand darin, mich »bürgerlich« der Truppe anzuschließen, aber – unsichtbar gefolgt von Winnetou – in einem Moment ernster Gefahr als Old Shatterhand einzugreifen. Für die Zugfahrt hatte ich meine allzu bekannten Gewehre, welche mich sofort verraten hätten, in mehrere Lagen Leders zu einem unförmigen Pakete eingeschlagen. Konnte ich als Berichterstatter nicht zugleich Zeichner und Landschaftsmaler sein, wozu ich übrigens ebenfalls Anlagen besitze?
    Aber es sollte ganz anders kommen.
    Mit der Union Pacific Railroad reiste ich bis zu deren vorläufigem Endpunkt in Wyoming, jenem Cheyenne, das bald Hauptstadt wurde. Winnetou hatte ich auf eine Weise, die an anderer Stelle dargelegt werden soll, über mein Eintreffen unterrichtet. Mit unseren Pferden und unserer üblichen Ausrüstung sollte er mich abholen. Alsdann wollten wir das Weitere beratschlagen.
    Dazu war es notwendig, zuvor Mister Washburn kennenzulernen, um mir über seine Ehren- und Ernsthaftigkeit klarzuwerden. Wer sich im Leben bescheidet und nicht auf die Münze rechnen muß, kann es sich erlauben, seine Auftraggeber nach Sympathie zu wählen. Diese Freiheit habe ich mir stets zu bewahren gesucht. Sollte Washburn sich in irgendeiner Weise als unangenehmer Patron erweisen, würden Winnetou und ich keine Stunde auf ihn verschwenden.
    Das Leben in solchen Vorposten glich schwerlich dem in besagten Städten des Ostens, beispielsweise New York oder Boston.
Man spricht gern vom unerschütterlichen Wagemut der Siedler, doch habe ich selbst mit angesehen, wie Neuankömmlinge, nach kräftezehrendem, tagelangem Geschüttel auf den Geleisen und oft nach nur wenigen Stunden Aufenthalt, die Nerven verloren und zurück in den Gegenzug strömten; sie gaben auf. In Dürrezeiten waren es auf den meist noch ungepflasterten Straßen die allgegenwärtigen Staubwolken, in den Wochen, manchmal Monaten des Regens der entsetzliche Morast, worin auch die hoffnungsvollsten Zukunftspläne versanken.
    Sodann das »Stadtleben« selbst.
    Die Gebäude solcher Orte waren nur selten schon aus Stein erbaut. Hier wurden Häuser noch gezimmert, gehämmert und geschreinert, also aus Holz gefertigt, denn an Handwerkern aus aller Herren Länder herrschte kein Mangel. Anders stand es um geeignete, haltbare Materialien, weil alles, vom Werkzeug bis zum Nagel, mit der Eisenbahn und zuvor noch mit dem Planwagen herbeigeschafft werden mußte. So erklärt sich auch die damalige Eigenart, Häuser möglichst in einer Behelfsweise zu errichten, die unserer gewohnten europäischen Solidität Hohn spricht. Mittels Seilen, Stangen und etlicher billiger Arbeitskräfte konnte man sein Domizil innerhalb weniger Stunden errichten und wieder demontieren; Häuserwände und

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