Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
Offensichtlich hatte ich es mit dem Wirte höchstselbst zu tun und also mit »Mister Faffle«.
Die Freundlichkeit schlug um, als ich den Kopf hob und dem Manne zulächelte. Die zuvor hellen Augen verdunkelten sich, und ein skeptischer, ärgerlicher Blick fiel auf mich:
» Heigh-day, Ihr schon wieder! Wünscht Ihr etwa zu speisen? Das ist bei mir künftig unmöglich, wie ich Euch schon gestern abend gesagt habe. Ihr wißt, daß mir Eure Kundschaft nicht länger angenehm ist. Am besten, Ihr verlaßt mich gleich wieder. Meine Stühle brauchen Eure Wärme nicht!«
Entschieden und doch leise hatte der Mann gesprochen; dabei war seine Haltung eher ängstlich, fast pardonierend. Offenbar wollte er vermeiden, daß die Gäste an der Tafel mithören konnten, denn nur deren gelegentliche Bewegungen oder Lautäußerungen sorgten für ein wenig Geräusch.
»Seid Ihr Herr Pfäffle beziehungsweise Mister Faffle?«
»Pfäffle oder Faffle, das wißt Ihr doch! Und ich weiß zu genau, wer Ihr seid, obgleich Ihr anscheinend dem hairdresser 37 ein Wunder abverlangt habt. Ihr wirkt heute sehr viel jünger!«
Wer mich kennt, der weiß, nichts bringt mich so leicht aus der Ruhe, niemand lockt mich unvermittelt aus der Reserve. Aber diese Stadt – diese Leute – dieser kleine Mann – seine Worte – – –
Tief bog er sich zu mir herab und flüsterte mir ins Ohr:
»Bitte, mein Herr, geht! Ich kenne Eure Meinung über Mister Washburn und sein Vorhaben; zur Genüge habt Ihr ihm diese gestern auseinandergesetzt. Ich erkläre, daß mein Haus bis auf ein einziges reserviertes Zimmer durch die Expedition belegt ist, welche Ihr als geschlossene Gesellschaft betrachten wollt. Es drängt mich nicht nach Gästen wie Euch, ich bin mit meinem neuen Koch geschlagen genug!«
»Was ist denn mit diesem?« fragte ich.
»Was mit ihm ist?« scholl es in mein Ohr. »Der Mann spinnt!«
»Mister Faffle, bitte erlaubt, ich verstehe nicht. An Euren Tischen sitzen voll Erwartung diese vielen Gentlemen. Sicherlich wird bald gezecht und gespeist, und fast alle Eure Zimmer sind belegt, wie Ihr sagt. Trotzdem macht Ihr ein Gesicht wie drei Wochen Regenwetter. Freut Ihr Euch denn nicht auf die hohe Tageslosung 38 ?«
»Eben, bester Herr«, trafen Faffles Worte auf mein Trommelfell. »Die vielen Gäste zahlen mir ja nichts!«
»Wie, Ihr haltet sie frei?«
»Nein, Ihr mißversteht mich.«
»Wie denn nun? Wird bezahlt oder geprellt?«
»Weder noch. Es verhält sich so: Mein gegenwärtiger Koch – den Chinesen davor hielt es nur ein paar Tage –, mein jetziger Koch also ist ein Deutscher, sogar ein Bayer.«
»Aber Mister Faffle, das ist doch wunderschön! Die bayerische Küche ist eine herzhafte. Ihrem Ruf kann das nur guttun.«
»Schon«, räumte Faffle ein. »Aber man hat in Bayern auch einen König, und um den geht es. Jener Mann, der gleich auftragen wird, ist ja nicht irgendwer. In meiner Küche fuhrwerkt kein anderer als der Hofkoch König Ludwigs von Bayern!«
Ich hörte diesen Namen – sah auf das Männchen – bedachte mich eine Sekunde – und hatte Mühe, mir ein lautes Lachen zu verkneifen! Von einem Moment auf den anderen wollte mir die Stimmung im Boarding House gar nicht mehr eigenartig erscheinen, viel eher heiter, komisch, entsetzlich närrisch! Doch eine solche Gemütsregung mußte ich mir verkneifen, wollte ich nicht Anstoß erregen. Ich bezwang mich und legte um so mehr Harmlosigkeit in meine Stimme:
»Ein Hofkoch, Mister Faffle? Dazu meinen Glückwunsch! Ein Königlich Bayerischer Speisenkünstler, hier in Cheyenne, an der Grenze zum Indianerland, wer hätte das gedacht.«
»Aber nein«, rappelte es schon wieder in meinen Ohren. »Das
ist doch kein Grund zum Freuen. Versteht Ihr, der Koch hält alle meine Gäste frei.«
»Erlaubt ihm das denn seine Löhnung? Seid Ihr so spendabel, was das Gehalt betrifft?«
»Hm«, brummte der Wirt. »Das nun keineswegs. Könnte ich nicht haushalten, ich käme um Keller und Theke.«
»So nun?«
»Ja, so nun, so nun! Sir, denkt bloß, dieser Herr Hofkoch sieht wie ein armer Schlucker aus, aber er besitzt ein unglaublich dickes Portemonnaie, so daß er alle Kosten für das folgende Festmenü sowie für die Logis all dieser Herren übernommen hat, im voraus! Es scheint wohl so zu sein, daß heute drüben, in seiner bayerischen Heimat, der Geburtstag Seiner Majestät gefeiert wird. Wir haben den fünfundzwanzigsten August, und der Monarch begeht just sein fünfundzwanzigstes
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